Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
wohl draußen auf dem Feld, oder im Stall. Uralte Eichen breiteten ihre mächtigen Kronen über das moosbewachsene, reparaturbedürftige Dach des Wohnhauses aus. Zwischen den verwitterten Fachwerkbalken platzte der Putz ab und gab an vielen Stellen den Blick auf die darunter liegenden Lehm- und Strohschichten frei.
Der Schwarze passierte den kleinen Schweinestall des Bauern Schmid und gab ein unzufriedenes Schnauben von sich. Ich hielt die Zügel kurz, damit er spürte, dass sein Reiter einen Ausbruchversuch in den Galopp nicht akzeptieren würde.
Wir ließen den Bauernhof und das zu seinem Rücken liegende Scarheim hinter uns und schon nach kurzer Zeit waren die ersten Wohnhäuser von Rubenfels zu sehen. Die Bebauung war nicht dicht, hier gab es genug Platz für jeden, sich einen eigenen, bescheidenen Garten zu leisten. Beinah jedes der bescheidenen, zum Teil recht alten Häuser lag inmitten einer kleinen grünen Insel. Obstbäume waren sehr beliebt. Viele standen in voller Blüte und die Reinheit der kleinen, weißen Blüten wurde durch das finstere Grau des Himmels nur noch unterstrichen.
Die Frau des Schusters jätete die Beete und blickte kurz von ihrer Arbeit auf, als sie den Hufschlag auf der aus festem Lehm bestehenden Dorfstraße vernahm. Ihr Blick streifte mich nur für einen Moment, dann wandte sie den Kopf schnell wieder zur Seite. Zu anderen Zeiten hätte sie mich gegrüßt, doch das hatte sich wohl inzwischen geändert. Es bestand kein Grund mehr für Höflichkeit.
Der Schwarze trabte weiter, an hölzernen Gartenzäunen und kleinen Lädchen vorbei. Die Menschen, die mir begegneten, verhielten sich ähnlich der Schustersfrau: Meine Anwesenheit schien sie in Verlegenheit zu bringen, und eh dass man sich bemühte, zumindest eine vordergründige Höflichkeit zu bewahren, schaute man lieber in eine andere Richtung. Nur eine konnte nicht einfach den Kopf abwenden und mir so ihre schweigende Ablehnung bekunden. Sie musste mir in die Augen sehen, während sie mich, den
Sünder, in die Verbannung schickte: Die Bäckersfrau Mathilde kam aus ihrem Laden herausgeschossen, wie ein Kastenteufel. Es schien, als habe sie tagelang durch das Fenster die Straße beobachtet, um mit eigenen Augen zu sehen, ob Robert Adlam wirklich die Frechheit besitzen würde, sich wieder im Dorf blicken zu lassen.
Sie stürzte direkt auf mich zu und es war erstaunlich zu sehen, wie schnell sie ihre alten Beine noch trugen. Ich musste das Pferd recht abrupt zum Stehen bringen, denn Mathilde warf sich mir sozusagen direkt in den Weg und scheute offensichtlich auch die Hufe dieses kräftigen Tieres nicht. Das flinke Kreuzzeichen, das ihre rechte Hand ausführte, schien in ihren Augen ein heiliges Schutzschild um sie herum zu errichten.
„Fort von hier!“ schrie sie mir mit überkippender Stimme entgegen. „Wir wollen Sie hier nicht, in unserem Dorf!“
Einige Leute auf der Straße schauten sich kurz um, doch niemand wagte es, stehenzubleiben. Eilig zogen sie die Köpfe zwischen ihre Schultern und bemühten sich, so schnell es ging hinter der nächsten Straßenecke zu verschwinden.
Der Schwarze legte bei den schrillen Tönen von Mathildes zornigen Worten die Ohren an. Unruhig zerrte er an den Zügeln und stampfte mit den Hufen auf den Boden.
„Lassen Sie sich hier nicht mehr blicken!“ brüllte die Bäckersfrau weiter und ging mit in die breiten Hüften gestemmten Händen auf mich zu.
Ich hielt das Pferd mit fester Hand, denn ich fühlte genau, dass diese laute, aggressive Stimme das Tier heftig reizte. Es schüttelte nervös den Kopf, jeder Muskel in seinem Körper war angespannt.
Ich lehnte mich im Sattel vor und bat die Frau in gemessenem Tonfall, zur Seite zu gehen.
„Sie kommen hier keinen Schritt weiter“, schrie sie zurück und ihre ohnehin zerfurchte Stirn legte sich in tausend Zornesfalten, während sie mit dem Finger in die Richtung wies, aus der ich gekommen war. „Drehen Sie um und kommen Sie nie wieder zurück! – Und lassen Sie die Frau des Rothans in Frieden! Ich hoffe für die Seele des armen Mädchens, dass Sie es noch nicht total verdorben haben!“
Wieder ging sie einen Schritt auf mich zu und mein Pferd zerrte am Zügel, während es ebenfalls einen nervösen Schritt nach vorn machte. Jetzt stand Mathilde direkt vor dem Schwarzen und starrte zu mir hinauf, als habe sie sich in Gedanken in eine unüberwindbare Felswand verwandelt. Doch ich sah in ihren Augen, dass sie innerlich gar nicht so stark war,
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