Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Titel: Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Gees
Vom Netzwerk:
nicht mehr bei ihr blicken lassen. Auf Erklärungen für den Vorfall im Flur des Erdgeschosses hatte sie umsonst gewartet, ihre Fragen waren unbeantwortet geblieben.
    Katharinas Blick wanderte immer wieder zu den geschlossenen Fensterläden. War draußen Sonne oder Regen? Dämmerte es bereits, oder stand die Nachmittagssonne noch in ihrer vollen Kraft am Himmel?
    Diese derartig von der Außenwelt abgeschlossene, seit Ewigkeiten unbenutzte Kammer war wie ein Gefängnis für sie. Dass Robert sie nicht in diesen Raum gesteckt hatte, um sie vor dem Rothans besser schützen zu können, war ihr nun klarer denn ja. Schließlich war er problemlos mit ihrem Ehemann fertig geworden, auf diese rätselhafte Weise, die Katharina Kopfzerbrechen bereitete.
    Nein, irgendetwas anderes bereitete ihrem Freund Sorgen, das war ihr klar.
    Wo war Magarete, die treue, alte Haushälterin? Sie hatte gekündigt, gerade vor ein paar Tagen, erzählte ihr Josefine. Genau, wie die beiden Pferdepfleger Johannes und Heinz. Die Pferdepfleger hatte es sogar gleich ganz außer Landes verschlagen, bis ins weit entfernte Amerika.
    Der halbwüchsige Stallbursche und das Zimmermädchen Josefine waren der kärgliche Rest, der von Roberts Personal übrig geblieben war.
    Und Robert selbst?
    Wenn er mit ihr sprach, schien er geistesabwesend, so, als sei er in Wahrheit gar nicht bei ihr.
    Jegliche Fragen zu seinen Problemen wehrte er ab, oft in unfreundlichem, hartem Tonfall. Katharina war es nicht gewohnt, von ihm auf diese Weise behandelt zu werden. Natürlich war Robert niemals ein einfacher Mensch gewesen. Manchmal war er ein echter Hitzkopf und recht schnell in Wut zu bringen. Und zu anderen Zeiten war er kühl und ruhig, als würde er hinter einer kalten Eisschicht seine Gefühle verbergen.
    Momentan jedoch wusste Katharina gar nichts mehr mit seinen Verhaltensweisen anzufangen.
    Sein merkwürdiges Verhalten war ihr zum ersten Mal vollends bewusst geworden, als er ihr die eigens konstruierte Beinschiene angelegt hatte. Im Gegensatz zu der ersten Untersuchung ihres Beines im Empfangszimmer waren seine Handgriffe plötzlich recht rabiat und unnötig schmerzhaft gewesen. Zuerst hatte sie einfach nur die Zähne zusammengebissen und sich nicht beschwert. Doch nach einiger Zeit war ihr doch ein Schmerzenslaut über die Lippen gekommen, der Robert dazu veranlasst hatte, ihr prüfend ins Gesicht zu sehen. Sie hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, dass er ihr mit seiner Unvorsichtigkeit wehtat. Er hatte ihr nicht geantwortet, sondern schweigend so weitergemacht, wie vorher.
    Sie fragte sich, woher die weitaus nicht verheilte Schnittwunde an seiner Wange stammte. Auf ihrer Hochzeit hatte sie bereits von der Bäckersfrau Mathilde erfahren, dass Robert irgendetwas passiert war und er den Doktor deswegen hatte zu sich kommen lassen. Von einer „schweren Verletzung“ war die Rede gewesen.
    Katharina hatte versucht, Robert darauf anzusprechen. Sie hatte keine Antwort von ihm erhalten. Genau, wie auf ihre Fragen zu der unerklärlichen Szene, die sich im Hausflur mit dem Rothans abgespielt hatte.
    Ihre weitere Pflege hatte er ganz und gar Josefine übertragen.
    Die wenigen Male, die er bis jetzt zu Katharina ins Zimmer gekommen war, war er schweigsam und äußerst distanziert gewesen. Das einzige, was ihn interessierte, schien zu sein, dass sie sich an seine Anweisungen hielt: keinesfalls das Bett verlassen, die Fensterläden geschlossen halten. Die Läden waren schon seit Jahren
    geschlossen, seit der Zeit, als er seine Familie verloren hatte. Das Bett, das hier stand, hatte wohl einmal seinem älteren Bruder William gehört und war seit dessen Tod nie wieder benutzt worden. Entsprechend muffig war die Luft im Zimmer. Josefine hatte um Katharina herum geputzt und so zumindest den Staub auf Fußboden und Möbeln entfernt. Die Bettwäsche war frisch und roch nach Kernseife.
    Natürlich hatte sie, statt in den Büchern zu lesen, die Josefine ihr freundlicherweise ans Bett gebracht hatte, ständig nachgrübeln müssen. Über ihre gescheiterte Ehe, ihre verlorene Zukunft. – War die Zukunft wirklich verloren? ‘Es gibt doch so viele Kerle auf der Welt, einer hübscher, als der andere‘, hatte Josefine gesagt. Natürlich hatte sie Recht damit. Aber es würde noch lange, lange dauern, bis ihre Wunden gut genug verheilt wären, dass sie einen zweiten Versuch – an einem anderen Ort, unter ganz anderen Voraussetzungen – wagen konnte. Aber die Hoffnung völlig zu verlieren,

Weitere Kostenlose Bücher