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Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Titel: Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Gees
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dünner Körper zitterte und Diane sah, dass seine Augen feucht wurden.
    „Bitte, mein Lieber, nun weine doch nicht. Wir sehen uns ganz bestimmt wieder, das verspreche ich dir. Ich komme vielleicht schon morgen wieder, um noch mehr Sachen zu holen. Und dann nehme ich dich ganz fest in den Arm“, beteuerte Diane ihm. Sie spürte bei dem Anblick des traurigen, blassen Gesichts so viel Zuneigung zu ihrem kleinen Bruder, dass es ihr wirklich schmerzte, zu gehen.
    Sie warf einen Blick die Treppe hinunter, auf den unteren Flur. Dort war niemand zu sehen. Ihr Vater hatte sich wieder zurückgezogen: So viel lag diesem Mann also an der Anwesenheit seiner Tochter, dass er ihr nur einmal ein ‚Wo-willst-du-hin‘ nach rief und dann die Sache auf sich beruhen ließ!
    Es war ihr ganz klar, dass das einzige, was sie noch an Zuhause binden würde, ihre jüngeren Geschwister wären. Und die beiden waren eigentlich längst in dem Altar, wo sie selbständig mit dem Leben klar kommen sollten...
    Sie hob zum Abschied noch einmal kurz die Hand und sagte Bernhard, dass sie ihn lieb hatte.
    Dann lief sie die Treppe hinunter und verließ das Haus.
    Draußen auf der Straße blieb sie zuerst orientierungslos stehen und versuchte, ihre Gedanken zu sammeln. Wohin sollte sie nun gehen? In ein Hotel, vorerst, sagte sie sich. Ein einfaches Hotel, das sie sich über einen möglichst langen Zeitraum leisten konnte. Und dann... ?
    Sie war ganz verwirrt, konnte kaum nachdenken. Sie spürte das dringende Bedürfnis, mit jemandem zu reden. Sich einem Freund mitzuteilen und dabei ihre Gedanken- und Gefühlswelt wieder ein wenig zu ordnen. Einige langsame, zögernde Schritte führten sie zuerst auf die andere Straßenseite. Doch dann wurde Dianes Gang immer schneller, immer zielstrebiger. Denn es gab nur einen Menschen in Lindheim, den sie sich anvertrauen wollte und der ihr Verständnis entgegenbringen würde: Konrad.
    Zu ihm wollte sie sich flüchten, bevor sie ihr unpersönliches, kaltes Hotelzimmer beziehen würde. Sein Verstand und seine Wärme waren genau das, was sie im Moment benötigte. Sie war noch nie in seinem Haus gewesen, aber es war leicht, es zu finden. Konrad wohnte nur wenig abseits der Innenstadt am Rande eines kleinen Platzes, in dessen Mitte in Springbrunnen vor sich hin plätscherte.
    Diane läutete die Glocke.
    Sie rechnete mit dem Erscheinen eines Dienstmädchens an der Haustür und wurde überrascht, dass Konrad ihr persönlich öffnete. Zuerst sah er sie verwundert an, doch sehr schnell erschien das wohlbekannte Lächeln auf seinen Lippen:
    „Diane? Was für eine freudige Überraschung“, begrüßte er sie und reichte ihr die Hand. „Was führt Sie hierher?“
    Diane wusste nicht, was sie ihm erwidern sollte. Sie wollte nicht hier auf der Schwelle seines Hauses stehen und sogleich mit ihren Problemen über ihn herfallen.
    „Dürfte ich wohl hereinkommen?“ bat sie ihn deshalb.
     
    Konrad nickte. „Natürlich“.
    Er trat einen Schritt zurück und machte eine einladende Geste. Zögernd trat Diane in das ihr fremde Haus ein. Sie fragte sich, ob sie im Begriff war, das richtige zu tun. Genau betrachtet kannte sie Konrad ja kaum...
    Der Hausflur fand keinen Vergleich mit der großen Stadtvilla ihrer Familie. Er hatte eine eher bescheidene Größe und war auch nicht sonderlich wertvoll ausgestattet. Konrad nahm ihr den Reisekoffer ab und verstaute ihn auf der Garderobe. Dann führte er sie in seine Wohnstube. Auch die Stube war nicht besonders geräumig. An den Wänden standen Regale, die voll mit Büchern beladen waren. Ein kleiner Heizofen strahlte in einer Zimmerecke eine behagliche Wärme aus. Nur zwei Sessel waren um einen niedrigen Tisch in der Mitte des Raumes gruppiert. Die Fenster waren mit dicken, schlichten Vorhängen verhüllt.
    „Es tut mir leid, dass ich Ihnen hier keinen Luxus bieten kann“, entschuldigte Konrad sich. „Ich umgebe mich nicht gerne mit unnützen Dingen.“
    „Ich finde es sehr gemütlich“, erwiderte Diane ihm. „Es ist schade, dass unsere Räume so viel kälter sind, als Ihre.“
    Die sympathischen Grübchen tauchten auf Konrads Wangen auf. „Mir liegt die Wärme sehr viel mehr, als die Kälte.“
    „Mir auch“, stimmte Diane ihm zu. „Und darum bin ich hier. Mir ist es daheim einfach zu eisig geworden.“
    Konrads Blick war freundlich und ein wenig besorgt. Die ruhigen, braunen Augen sagten ihr, dass sie sich doch an die richtige Person gewandt hatte. „Ich hoffe nicht, dass Sie

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