Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
was sich in den letzten Wochen in seinem Privatleben abgespielt hatte.
Nach einigen Momenten des Schweigens sagte Robert düster: „Nein. Der Preis ist zu hoch.“
„Das dachte ich mir“, sagte der Priester und auf seinem Gesicht erschien ein breites, böses Lächeln: „Diese Art von Hemmungen stehen dir im Weg, werden dich immer von dem Notwendigen abhalten. – Also pass auf: Wenn du mir den Jungen nicht bringst, dann werde ich ihn mir selbst holen. Und zusätzlich noch seine beiden Schwestern. Und dann werde ich eine kleine Familienfeier aus dieser Sache machen...“
Er machte eine Pause, warf Robert einen langen, durchdringenden Blick zu, bevor er mit leiser Stimme fortfuhr: „Mein Freund: Dass ich nur den Jungen will, ist ein Kompromiss, den ich dir anbiete. Es ist der einzige Eintrittspreis von dir, den ich akzeptiere. Zahlst du ihn nicht, dann wird der Preis, den du zu zahlen hast, gleich darauf gewaltig in die Höhe schnellen, glaube mir. Denn niemand in deinem Umfeld wird mehr sicher sein. – Also: Lass diese falsche Moral aus dem Spiel. Die wenigen Menschen, die dir nahe stehen, zu beschützen, das gestehe ich dir zu. Aber der Junge ist ein Fremder für dich – und du wirst noch viele Fremde opfern müssen.“
Robert Gesichtsausdruck war finster.
Er ließ sich Zeit mit seiner Antwort, und als er endlich sprach, war deutlich aus seiner Stimme zu lesen, dass er mehr als unzufrieden war. „Du sollst ihn bekommen, wenn du gar keinen anderen Weg siehst. - Doch damit hat diese Familie an meiner Stelle einen so hohen Preis bezahlt, dass du sie anschließend in Ruhe lassen solltest.“
Die letzten Worte klangen wie eine Drohung, bemerkte Konrad. Dieser Mensch stellte in der Tat einen erstaunlichen Hochmut zur Schau.
Der Priester ging auf Roberts drohenden Tonfall nicht ein, sondern erklärte unbeirrt: „Morgen Nacht wirst du den Jungen ihn hierher bringen. Seine Schlafkammer ist im ersten Stockwerk, direkt geradeaus. – Ich gehe davon aus, dass die Schlösser an der Haustür kein Problem für dich sein werden. Auch, wenn die Familie von Roder ihr Haus verrammelt, als befürchte sie eine feindliche Invasion.“
Konrad begann endlich, Gefallen an der ganzen Sache zu finden. Er hoffte, der Priester würde den einstmaligen Widersacher weiter heftig bluten lassen. Nach dieser ersten kleinen Abreibung konnte er sich jedenfalls nicht mehr vorstellen, dass sein Auftrag bezüglich Diane von Roder nun hinfällig war.
„Wir werden morgen Nacht hier auf dich warten“, fuhr der Priester fort. „Wenn du den Jungen hier abgeliefert hast, dann können wir weitere Gespräche darüber führen, wie wir deine und meine Wünsche in die Tat umsetzen werden. Ich habe dir bereits das Mitspracherecht, das du verlangst, zugesagt, falls du dich für würdig erweisen solltest.“
Diese letzte Äußerung stieß Konrad sauer auf: Sollte das etwa heißen, dass nach all dem Ärger, den Robert Adlam verursacht hatte, er eine höhere Stellung in der Gemeinschaft bekommen würde, als ihm zustand – gleichsam einer Belohnung? Etwa einen höheren Platz, als Konrad selbst zugebilligt wurde, der von dem Tag seiner Mitgliedschaft bei den Schwarzen Brüdern an immer der zweite Mann gewesen war?
Er schluckte seinen Protest herunter und verschob ihn auf einen späteren Zeitpunkt, wenn er mit dem Priester allein sein würde. Im Augenblick stießen all seine Einwände ohnehin nur auf taube Ohren...
Robert stand abrupt von seinem Stein auf: „Ich werde morgen Nacht hier sein“, sagte er und es gelang ihm dabei nicht, seinen inneren Unwillen zu verbergen. „Und das Kind bringe ich dir mit.“
Damit ging Robert ohne ein weiteres Wort fort und verschmolz wieder mit der Finsternis des Waldes. Der Priester sah ihm schweigend nach. Nach einer Weile nahm Konrad endlich bei dem Priester Platz, auf dem Stein, auf dem Robert Adlam eben noch gesessen hatte. Der Priester wandte langsam den Kopf in seine Richtung.
„Die Sache mit der Frau“, sagte Konrad leise, „ist doch wohl hiermit nicht abgeschlossen?“
Der Priester hob die buschigen Brauen. „Was ist das für eine merkwürdige Frage? Dein Auftrag bleibt bestehen, so lange, bis ich es dir ausdrücklich sage. Er weiß nun genau, dass mir seine Liebschaft mit der jungen Dame nicht entgangen ist. Falls er versuchen sollte, ein Spiel mit mir zu spielen, dann ist ihm jetzt wohl klar, dass der Einsatz nicht nur sein eigenes Leben ist.“
10. Mitten ins Herz
------- DIANE VON RODER
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