Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
will . Ich kenne deinen guten Herrn Adlam schon seit vielen Jahren und ich weiß genau: Wenn man nicht aufpasst, dann zieht er jeden über den Tisch. Auch dich. “
Diane schüttelte erbittert den Kopf. „ Du verstehst gar nichts, Vater “, sagte sie voller Unwillen. „In der schlimmsten Zeit meines Lebens hast du mir nicht beigestanden. Und auch jetzt lässt du mich wieder allein.“ Diese Anklage sprach sie zum ersten Mal in ihrem Leben offen gegen ihren Vater aus. Bisher hatte sie es noch zu keinem Zeitpunkt je gewagt, ihn wegen seiner Ignoranz während ihrer grausamen Kindheitsjahre anzuschuldigen.
Doch Richard von Roder ging auf ihre Worte überhaupt nicht ein. Es war ihr fraglich, ob er überhaupt verstand, wovon sie redete. „ Ganz Lindheim zerreißt sich schon das Maul über dich!“, wetterte er weiter. „Ich bin nur ein paar Tage fort, und schon der Ruf meiner Familie den Bach runter...!“
Unruhig begann er, im Raum auf- und abzugehen, mit noch immer auf den Rücken gefalteten Händen. Er blickte Diane nun nicht mehr an, sondern hatte die Augen auf seine Füße gerichtet. „Verdammt, was soll ich jetzt bloß tun“, fluchte er vor sich. „Wie soll es jetzt bloß weitergehen?“
„Ich weiß, wie es weitergeht“, warf Diane in sein Selbstgespräch ein. „Weil ich nun der Schandfleck deiner Familie bin, packe ich meine Sachen und gehe dir aus den Augen.“ Die weitreichenden Konsequenzen dieser Aussage bedachte Diane in ihrem Zustand der Wut überhaupt nicht. Sie hatte einfach nur noch den Wunsch, aus diesem Haus zu fliehen. Ihrem Vater ließ sie keine Zeit, ihr zu antworten. Sie stürmte aus dem Zimmer und schlug die Tür vernehmlich hinter sich ins Schloss. Sie eilte durch den Flur und hatte gerade die Treppenstufen in den ersten Stock erreicht, als sie hinter sich vernahm, dass die Tür zur Wohnstube wieder geöffnet wurde. Die laute Stimme ihres Vaters drang ihr ans Ohr. „ Diane! Wo willst du hin?“
„Weg“, sagte Diane nur, ohne sich umzudrehen. Sie konnte den Anblick ihres Vaters nicht ertragen, der sich so unsäglich für seine eigene Tochter schämte. Oben auf dem Treppenabsatz stand ihr kleiner Bruder, Bernhard, direkt vor der Tür seiner Schlafkammer. Er war viel zu klein und dünn für sein Alter von immerhin zwölf Jahren. Aus seinem blassen, schmalen Gesicht stachen große Augen mit derselben dunkelblauen Farbe hervor, wie die seiner Schwestern.
„Diane, was ist passiert?“ fragte er besorgt und schaute ihr entgegen, wie sie die Treppe zu ihm hinauf lief. „Warum schimpft Vater so laut?“
Diane nahm sich einen Augenblick Zeit, als sie den kleinen Bruder erreicht hatte, und blieb kurz bei ihm stehen. „Mach dir keine Sorgen“, sagte sie, ohne ihr inneres Gefühlschaos dabei verbergen zu können. „Ich gehe weg, für eine Weile. Ich brauche dringend frische Luft zum Atmen.“
Bernhards Augen schauten ängstlich drein. „Du gehst weg? Aber für wie lange denn?“
Diane strich ihm flüchtig über das blonde Haar. „Du sollst dir keine Sorgen machen, Bernhard. Wenn ich nicht bald wieder da bin, dann kannst du mich ja besuchen kommen.“
Ihr kleiner Bruder war von klein auf immer kränklich und äußerst empfindsam gewesen. Wegen zahlreicher Krankheiten war er oft bettlägerig. Diane liebte ihn genauso innig, wie sie Anna liebte. Und sie wusste genau, dass der Junge keinerlei Aufregung verkraftete und der Zustand seiner Psyche sich sogleich auf seinen Körper übertrug.
Sie schloss Bernhard kurz in ihre Arme und flüsterte ihm zu: „Keine Angst, ich bleibe in deiner Nähe“, bevor sie den Weg in ihr Zimmer einschlug. Dort packte sie ihre wichtigsten Sachen in ihren kleinen Reisekoffer und vergaß auch nicht, ihr Erspartes mitzunehmen. Mit fahriger Handschrift schrieb sie eine kurze Nachricht an Anna, die außer Hauses war, dass sie sich baldmöglichst bei ihr melden würde.
Als sie mit dem Koffer in der Hand wieder aus dem Zimmer hinaustrat, stand Bernhard immer noch an derselben Stelle, wie vorher.
„Ich will nicht, dass du weggehst“, sagte er. „Nimm mich doch bitte mit.“
Dem bittenden Blick der blauen Augen zu widerstehen war äußerst schwierig. Aber natürlich konnte Diane den kleinen Bruder nicht mit sich nehmen. Sie wusste ja überhaupt noch nicht, wohin sie gehen würde.
„Bernhard, du musst hier bei Anna bleiben. Sie wäre doch ganz allein, ohne dich.“
„Aber was ist, wenn ich dich nie mehr wiedersehe?“ fragte Bernhard angstvoll. Sein
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