Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
aus einem negativen Anlass zu mir gekommen sind?“ erkundigte er sich.
Diane nickte. „Leider doch. Wissen Sie... Es tut mir leid, Sie mit meinen Problemen zu belasten. Aber Sie sind ganz einfach der einzige Mensch in Lindheim, mit dem ich vernünftig reden kann“, gab sie offen zu.
„Dann setzen Sie sich erst einmal“, bot Konrad ihr an. „Atmen Sie tief durch und reden Sie sich von der Seele, was Sie belastet.“ Er zwinkerte ihr neckisch zu. „Danach wird es auch mich belasten, aber meine starken Schultern werden tapfer die schwere Bürde tragen.“
Diane konnte nicht anders, als über diesen Ausspruch zu schmunzeln. Ein wenig besser war ihr jetzt schon zumute, nur allein aufgrund Konrads Anwesenheit.
„Ich hole uns eine Kanne Wasser“, sagte Konrad. „Entschuldigen Sie mich bitte einen Augenblick.“
Diane wunderte sich sehr über diesen Mann, der doch sowohl adelig, als auch wohlhabend war, aber anscheinend trotzdem völlig auf Personal verzichtete. Seine bescheidenen Räumlichkeiten und das einfache Leben, das er darin führte, brachte ihm Dianes Wertschätzung ein. Sie mochte seinen Lebensstil, auch, wenn er äußerst ungewohnt für sie war. Sie setzte sich in einen der Sessel, der sich mehr durch Bequemlichkeit als durch Schönheit auszeichnete, und betrachtete die Bücher in den Regalen. Die meisten Titel bezogen sich auf die Interessensgebiete Konrads, von denen er Diane und Anna bereits einiges erzählt hatte: alte Völker, fremde Brauchtümer, Religion und Okkultismus. Mitten zwischen all den Büchern stand eine Bibel mit einem auffallend prächtigen, goldverzierten Einband. Konrad war schnell wieder zurück und brachte eine Kanne mit frischem Wasser und zwei Gläser. Er setzte sich in den zweiten Sessel, direkt an ihre Seite, und goss ihr ein Glas Wasser ein.
„Ich bin von Zuhause weggegangen“, erklärte sie ihm unvermittelt, weil ihr kein sanfterer Anfang einfiel.
Konrad setzte die Kanne auf dem Tisch ab. Seine ernsten braunen Augen streiften ihr Gesicht:
„Hatten Sie Streit mit Ihrem Vater?“ erkundigte er sich.
Diane nickte. Das Gesicht ihres Vaters kam ihr in den Sinn, zornesrot. Ihre Augen begannen zu brennen, doch sie schluckte die aufkommenden Gefühle tapfer herunter.
„Ich... ich stand vorhin allein mitten auf der Straße und brauchte dringend einen lieben Menschen um mich. Der einzige, der mir da einfiel, waren Sie...“
„Oh“, machte Konrad überrascht und schenkte ihr eines seiner Lausbubenlächeln, die so stark im Kontrast mit seinen ernsten Augen standen.
„Bitte nehmen Sie mir nicht übel, wenn ich Ihnen so mit der Tür ins Haus falle“, bat sie ihn.
„Wie soll ich es jemandem übel nehmen, wenn er mich als ‚lieben Menschen‘ bezeichnet?“ fragte Konrad zurück.
„Vielleicht empfinden Sie mich als aufdringlich...“, befürchtete Diane und zuckte die Schultern.
„Passen Sie auf“, sagte Konrad. „Jetzt ist es wohl an der Zeit für mich, ebenfalls etwas aufdringlich zu werden: Sollen wir nicht das unpersönliche ‚Sie‘ endlich beiseitelassen?“
Diane war erfreut über seinen Vorschlag. Dies zeigte ihr, dass er nicht nur aus reiner Höflichkeit so nett zu ihr war. Sie nickte:
„Ja. Damit bin ich einverstanden.“
„Das ist wunderbar“, antwortete
Konrad. „Denn so kann ich dich endlich bitten, mir alles zu erzählen, was dir auf dem Herzen liegt.“
Diane griff nach ihrem Wasserglas und trank einen Schluck. Sie überlegte einen Moment, dann begann sie reden. „Der Streit mit meinem Vater kam nicht von ungefähr. Er war sehr verärgert über ein Gerücht, das in der Lindheimer Gesellschaft in Umlauf ist... Eines der wenigen wahren Gerüchte.“
Sie sah ihn forschend an, um zu erfahren, ob er von dem Gerücht wusste.
„Es wird immer viel erzählt“, sagte Konrad und wiegte dabei leicht den Kopf hin und her. „Oft muss man sich Dinge anhören, die man eigentlich gar nicht wissen wollte.“
„Sie... Du weißt also, wovon ich rede?“
„Ja“, nickte er. „Eigentlich hätte ich es wissen müssen, dass du deshalb vor deinem Vater geflohen bist.“
Diane empfand keinerlei Scham vor Konrad, nun, da sie wusste, dass auch er bereits von ihrer Affäre gehört hatte. Ganz im Gegenteil: Es kam ihr so vor, als rede sie mit einem langjährigen guten Freund, dem sie voll und ganz vertrauen konnte, weil er alle Tiefen ihres Charakters akzeptierte. Vielleicht lag dies an seinem ruhigen, ernsten Blick, der ihr vermittelte, dass dieser
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