Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
auch Gefühle verändern? – Dann mach bitte, dass ich ihn nicht mehr liebe. Denn jemanden zu lieben, der einen nur ausgenutzt hat, tut ganz gemein weh.“
------- BERNHARD -----
Es blieb ihm keine Zeit, die Ereignisse im flüchtigen Moment des Erwachens zu verarbeiten. Eben noch in tiefen, behüteten Schlaf gehüllt, presste sich nun plötzlich irgendetwas mit grobem Druck gegen seinen Mund und seine Nase. Ein widerwärtiger, bitterer Geschmack erfüllte im selben Augenblick seinen gesamten Rachenraum, sodass sogar seine Augen davon zu Tränen begannen. Er glaubte für den Bruchteil einer Sekunde, durch den Tränenschleier in der Dunkelheit irgendwelche Schemen erkennen zu können, dann schwanden seine Sinne wieder.
Als er das nächste Mal wieder zu sich kam, war der ekelerregende Geschmack in seinem Mund so durchdringend, dass ihn eine Welle von Übelkeit überwältigte und er – noch ehe er auch nur annähernd seine fünf Sinne beieinander hatte – sich übergeben musste. Sein revoltierender Magen begann, furchtbar zu schmerzen und die Speiseröhre brannte wie Feuer. Als er sich – noch immer völlig benebelt – mit der Hand über den Mund wischen wollte, konnte er den Arm nicht bewegen. Er riss die Augen auf, doch alles, was er sah, war ein tanzendes, grelles Licht.
Er spürte, wie jemand mit einem feuchten Tuch durch sein Gesicht wischte und dabei den ekligen Mageninhalt von seinen Lippen und seinem Kinn wischte. Nur sehr, sehr allmählich nahm die Umgebung um ihn herum Formen an: Das tanzende Licht war das Feuer einer Fackel, die vor ihm, in den Boden gerammt, stand. Er selbst saß aufrecht, mit dem Rücken gegen etwas Hartem gelehnt, unter sich kühler, feuchter Boden. Außerhalb des Lichtkegels der Fackel war es stockfinstere Nacht. Zu seiner Rechten hörte er das Schnauben eines Pferdes. Ein neuerliches Würgen und ein anschließendes heftiges Husten schüttelte Bernhards Körper, er musste die Augen wieder schließen. Der bittere Geschmack in seinem Mund hatte kaum nachgelassen, ihm war speiübel. Er war schon sehr oft in seinem Leben krank gewesen, hatte jede einzelne Grippewelle mitgenommen. Aber so mies, wie jetzt, hatte er sich selten gefühlt.
Wieder fühlte er den feuchten Lappen auf seinem Mund und seinen Wangen und als er diesmal die Augen wieder aufschlug, sah er dem Mann, der sich über ihn beugte, direkt ins Gesicht. Der Anblick dieses Gesichts erschien Bernhard ebenso irreal, wie die gesamte Situation: Tiefschwarze Augen blickten ihn derart eindringlich an, dass er sich fast wie hypnotisiert fühlte.
„Hörst du mich?“ fragte der Mann ihn. Seine Worte klangen in Bernhards Ohren merkwürdig verzerrt, irgendetwas summte unangenehm in seinem Kopf.
„Antworte mir“, forderte der Mann ihn auf.
„Mir... ist...“, brachte Bernhard gequält heraus.
„Dir ist schlecht“, sagte der Mann. „Das geht vorüber.“
„Was... ist... bloß...?“, stöhnte Bernhard und brach abermals ab. Seine Kehle schmerzte bei jedem Wort und ihm war furchtbar übel.
Der Mann setzte ihm eine Flasche an die Lippen und forderte ihn auf, zu trinken. Wohltuendes, kaltes Wasser füllte Bernhards Mund und floss seine Kehle hinab. Als der Mann die Flasche wieder fort nahm, konnte er endlich – wenn auch unter Anstrengung – reden. „Was... ist bloß... passiert?“ wiederholte er die Frage, die er eben begonnen hatte.
Der fremde Mann setzte sich ihm gegenüber auf den Boden. Seine Miene war sehr ernst und der Blick in seine kalten Augen ließ Bernhard frösteln. „Bernhard...“, nannte der Fremde ihn beim Namen. Seine Stimme hatte dabei einen beängstigenden Unterklang.
„Lassen Sie mich... bitte... nach Hause“, bettelte Bernhard voller Furcht.
„Du wirst niemals wieder nach Hause kommen“, sagte der fremde Mann. „Ich wünschte, es gäbe eine Chance für dich, aber es gibt nicht die geringste. Ich bringe dich zu Leuten, die deine Angst nicht berührt. Du kannst sie anflehen, weinen, jammern: Sie werden kein Mitleid mit dir haben. Wenn ich dir einen Rat geben kann, dann nur den einen: Wenn du gläubig bist, dann sei still und bete. – Bete nicht darum, hier wieder raus zu kommen. Bete besser um deine Seele.“
Bei diesen Worten fühlte Bernhard die eiskalte Hand des Entsetzens nach seinem Herz greifen. „Was... was... wird man mit mir tun?“ stammelte er voll Horror.
Der Mann gab keine direkte Antwort auf seine Frage. Er griff in die Tasche seines langes, schwarzen Mantels und
Weitere Kostenlose Bücher