Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
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Das Dienstmädchen steckte den Kopf zur Tür herein. „Fräulein von Roder? – Ihr Vater verlangt nach Ihnen.“
„Ja, einen Moment.“
„Ich befürchte, es ist dringend “, betonte das Mädchen.
Diane legte widerstrebend das Schreibzeug beiseite und stand von ihrem Stuhl auf. Sie hoffte inständig, dass der Grund dafür, dass ihr Vater so brennend das Gespräch mit ihr suchte, nicht eine gewisse aktuelle Nachricht aus der Gerüchteküche war. Denn sie selbst hatte bisher noch immer keine Gelegenheit gehabt, Richard von Roder
auf den anstehenden gesellschaftlichen Tiefschlag vorzubereiten....
Innerlich furchtbar nervös, aber äußerlich so gefasst, wie es nur eben möglich war, ging sie die Stufen hinab ins Erdgeschoß und klopfte an die Tür der Wohnstube.
„Ja“, vernahm sie ihren Vater dort drinnen in einem unverkennbar missgestimmten Tonfall.
Diane trat ein und schloss die Tür sogleich wieder hinter sich.
Der Vater stand mitten im Raum, mit auf dem Rücken gefalteten Händen, und hatte den Blick auf sie gerichtet. Auf seiner Stirn waren die zwei steilen, tiefen Falten nicht zu übersehen.
„Du wolltest mich sprechen“, sagte sie und bemerkte dabei selbst das leichte Zittern in ihrer Stimme.
„ Diane, bitte sag mir, dass das, was ich über dich gehört habe, nicht wahr ist“ , bat ihr Vater sie sogleich in einem eindringlichen Tonfall.
Diane hob das energisch das Kinn, um sich ihrem Vater entgegenzustellen, und antwortete mit Nachdruck: „Ich befürchte, es ist wahr, Vater.“
Richard von Roder schnappte hörbar nach Luft, die Falten auf seiner Stirn vertieften sich noch mehr. „Warum muss ich über diese Schande von fremden Leuten erfahren? Hättest du mir nicht zumindest diese Demütigung ersparen können?“
„Ich wollte es dir sagen, Vater. Aber es ergaben sich weder die richtigen Worte, noch ein passender Zeitpunkt...“
„Ich bin maßlos enttäuscht von dir“, stellte ihr Vater in einer Mischung aus Wut und Frustration fest. „Deine Mutter und ich haben immer versucht, dich nach gesellschaftlich anerkannten Maßstäben zu erziehen! Und jetzt...!“
Diane konnte nicht anders, als ihn an dieser Stelle zu unterbrechen, denn jetzt fühlte auch sie den Zorn in sich hochsteigen. „ Meine Mutter und du?“ fragte sie mit Unglauben. „Ihr habt versucht, mich zu erziehen? Meine Mutter wollte aus mir ein stummes Püppchen machen. Und dir war deine soziale Stellung schon immer wichtiger, als deine eigenen Kinder!“
Ihr Vater blickte sie an, als habe er gerade einen Schlag ins Gesicht bekommen.
„So denkst du über mich?“ fragte er fassungslos. „Und das ist ein Grund für dich, den gesellschaftlichen Ruf der Familie von Roder zu ruinieren? “
„Siehst du!“ entgegnete Diane ärgerlich. „Du bestätigst mit einem einzigen Satz das, was ich gerade gesagt habe! – Dir kommt gar nicht in den Sinn, dass ich es vielleicht überhaupt nicht auf deinen guten Ruf abgesehen habe, sondern dass ich schlicht und einfach etwas für diesen Mann empfinden könnte!“
Richard von Roder schüttelte heftig den Kopf. „Das glaube ich einfach nicht!
– Nur, weil du was für ihn empfindest , verhältst du dich wie eine billige Hure und hängst gleich am nächsten Tag sogar noch alles an die große Glocke!“
Diane straffte ihre Schultern und atmete einmal tief durch, bevor sie mit Betonung sagte: „Ich habe mich nicht wie eine Hure verhalten, Vater. Ich liebe diesen Mann. Und ich habe nichts Unmoralisches getan, egal, was die Leute nun sagen.“
Ihr Vater verzog das Gesicht. „Du liebst Robert Adlam? Dein werter Herr Adlam ist nichts weiter, als ein Geschäftsmann: Er nimmt sich immer das, was er kriegen kann. Egal, um was es geht! Er wird dich vermutlich nicht einmal heiraten, um die Schande, die du über deine Familie gebracht hast, ein wenig auszugleichen. Und wenn er es doch täte, dann wäre diese Verbindung unter deinem gesellschaftlichen Stand!“
„Ich höre immer nur gesellschaftlicher Stand“, erboste sich Diane. „Meine Gefühle sind dir wohl egal?“
Ihr Vater trat näher an sie heran, sein Kopf glühte vor Erregung. „Mein Kind“, sagte er. Diane hasst es, wenn er sie auf diese Weise anredete. Er tat dies immer im Zorn. „Ich sorge mich um dich. Ich bin schließlich dein Vater . Für den Mann hingegen, den du dir in deinem kindlichen Leichtsinn auserkoren hast und den du meinst zu lieben, bist du nur irgendeine Frau , mit der er sein Vergnügen haben
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