Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
zeigte ihm, was er daraus hervorgeholt hatte: Auf seiner Handfläche lag ein unscheinbares, weißes Kügelchen. „Ich kann dir keine stärkeren Mittel, als das hier geben, weil sie es sonst bemerken werden. Nimm es, dann sind die Angst und die Schmerzen nicht ganz so schlimm.“
Bernhard wandte angewidert den Kopf zur Seite. Am liebsten hätte er dem Mann die kleine Pille aus der Hand geschlagen, doch seine Arme waren zur Bewegungslosigkeit verdammt, weil man sie ihm auf dem Rücken festgebunden hatte. Von den Mitteln dieses fremden Mannes ging es ihm jetzt schon wirklich dreckig genug.
„Du wirst dir sehr bald etwas herbeiwünschen, was deine Sinne betäubt“, erklärte ihm der Mann mit seiner ruhigen, ernsten Stimme.
„Nein“, wehrte Bernhard angewidert weiter ab.
„Gut. Dann nicht.“ Sein Entführer steckte die weiße Substanz zurück in seine Manteltasche und stand auf. Bernhard konnte jetzt nur noch den schwarzen Mantel des Mannes sehen und nicht mehr sein Gesicht. Der Mann griff ohne ein weiteres Wort unter Bernhards Arme und zog ihn auf die Füße. Doch Bernhard war so schwach auf den Beinen, dass es ihm nicht gelang, selbständig zu stehen. Wenn der Fremde ihn nicht festgehalten hätte, wäre er wieder in sich zusammen gesackt. Außerdem tat es seinem strapazierten Magen überhaupt nicht gut, so ruckartig bewegt zu werden. Er war kurz davor, sich abermals zu übergeben, konnte sich aber im letzten Moment noch beherrschen.
Sein Entführer hob ihn auf ein riesiges, schwarzes Pferd, das in der Dunkelheit hinter dem Lichtkreis der Fackel stand. Bernhard schloss entsetzt die Augen, als er bemerkte, wie hoch oben er sich plötzlich befand. Das Pferd bewegte unruhig die Beine und so schaukelte der kräftige Tierkörper unter ihm ganz unangenehm. Kaum saß er dort oben, ließ der Mann ihn los und wandte sich ab. Entsetzt bemerkte Bernhard, wie er auf dem ungesattelten Pferd langsam zur Seite wegrutschte. Und wegen der gefesselten Hände hatte er keine Möglichkeit, sich festzuhalten!
„Nein! Hilfe!“ brachte er ängstlich hervor. Er presste beide Beine links und rechts gegen den Rumpf des Pferdes, um sich oben zu halten. Sein Magen krampfte sich zusammen. Doch der Mann schenkte ihm keine Beachtung, sondern zog die Fackel aus dem Boden und löschte das Feuer in der feuchten Walderde. Zu allem Überdruss wurde es im selben Moment stockfinster.
Bernhard klammerte sich weiterhin verzweifelt mit den Beinen am Pferd fest und hoffte, er würde nicht herunterfallen und sich den Kopf aufschlagen. Dann saß der fremde Mann hinter ihm auf, packte ihn unsanft mit beiden Händen und platzierte ihn wieder gerade auf dem Pferd. Während er Bernhard weiterhin mit einem Arm umfasst hielt, ließ er das Pferd antraben.
Bernhard konnte nicht im Geringsten den Weg erkennen. Es war, als ritten sie direkt durch einen pechschwarzen Tunnel und er hoffte, sie würden nicht plötzlich auf eine feste Mauer oder einen Baum prallen. Zweige und Äste streiften seine Arme und sein Gesicht, doch das Pferd wurde trotz der Dunkelheit immer schneller. Bernhard stand eine erbärmliche Angst aus, dass das Pferd über irgendetwas stolpern und ihn unter seinen schweren Körper begraben würde. Der Wind zischte an seinen Ohren und am liebsten hätte er sich mit beiden Händen in der Pferdemähne verkrallt, um sich festzuhalten. Der Griff des Mannes um seinen Körper war zwar fest, aber Bernhard hatte absolut kein Vertrauen zu ihm. Er hatte ihn schließlich fortgerissen von zuhause, ihn mit irgendeinem abartigen Mittel vergiftet. Irgendwo tauchte in der Ferne ein kleines, flackerndes Licht auf, das mal von Bäumen verdeckt, mal wieder sichtbar wurde. Bernhard hoffte, dass dieser halsbrecherische Ritt bald ein Ende haben würde...
Der Mann stoppte das Pferd sehr abrupt, sodass Bernhard mit einem heftigen Ruck nach vorne geschleudert wurde und nur der Arm seines Entführers ihm am Fallen hinderte. Direkt vor ihnen stand im Licht eines kleinen Lagerfeuers eine von Kopf bis Fuß schwarze Gestalt.
„Guten Abend“, sagte die in dunklem Stoff gehüllt Person, die ihr Gesicht unter einer Kapuze versteckt hielt. Der Tonfall der Stimme war nicht eben freundlich.
Der Entführer blieb auf dem Pferd sitzen, griff wieder einmal unter Bernhards Arme, hob ihn aus dem Sattel und ließ ihn an der rechten Seite des Pferdes heruntergleiten. Bernhard bekam einen Schreck, als er plötzlich losgelassen wurde und wie ein Stein zu Boden fiel, direkt neben die
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