Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
breiten Hufe des Pferdes. Er hatte nicht einmal die Möglichkeit, den Sturz mit den Händen abzufangen und so landete er mit dem Gesicht unsanft im Dreck. Mühsam versuchte er, sich aufzurappeln, was ihm kaum gelingen wollte. Seine Beine waren vor Angst und Übelkeit ganz schwach. Er befürchtete, die unruhig stampfenden Hufe würden ihn gleich unter sich zermalmen.
„Na, vielen Dank“, meinte der Mann mit der Kapuze mit leichtem Hohn in der Stimme. „Du arbeitest präzise und pünktlich.- Der Priester wartete oben am Fluss auf dich, denn das...“
Der Reiter unterbrach ihn barsch. „Für mich war es das, für heute. Sag ihm, ich komme morgen wieder.“ „Einen Moment mal! Es liegt noch ein Gespräch an...“
Doch der Reiter wendete ungeachtet dieses Einwurfs sein Pferd. Die Hinterhufe des Tieres sausten ganz dicht an Bernhards Kopf vorbei und wirbelten dicke Brocken des Waldbodens auf.
Bernhards Entführer ritt im selben schnellen Tempo zurück in die Dunkelheit des Waldes, in dem er gekommen war. Offensichtlich erzürnt zerrte der maskierte Mann Bernhard auf die Beine und fluchte dabei: „Verdammter, arroganter Kerl!“
„Bitte... bitte... lassen Sie mich gehen“, flehte der verängstigte Bernhard und im selben Moment musste er wieder würgen. Der kümmerliche Rest des Abendessens, der noch in seinem Magen verblieben war, kam heraus. Ihm war es, als wäre sein gesamtes Inneres ein einziger schmerzender Krampf.
Dieser Mann hatte absolut kein Verständnis für seine Übelkeit. Er verpasste ihm einen kräftigen Faustschlag ins Gesicht. Sterne explodierten vor Bernhards Augen und einen Moment lang glaubte er, das Bewusstsein zu verlieren.
„Ich... bitte...“, jammerte er voller Schmerz und Angst. Ein Rinnsal von Blut sickerte ihm in den Mund und erzeugte einen kupfrigen Geschmack. „Warum... warum hassen Sie mich?“
Der Mann antwortete ihm nicht. Er packte ihn am Handgelenk und riss ihn mit sich, als sei er kein lebendiges Wesen, sondern ein unliebsamer Gegenstand.
Ein Stück vom Lagerfeuer entfernt war das Flussufer im schwachen Licht noch schemenhaft zu erkennen. Eine zweite vermummte Gestalt, von enormer Größe und kräftiger Statur, wartete dort auf sie. Die sanfte Stimme, die unter dieser zweiten Kapuze erklang, gab Bernhard ein wenig Hoffnung darauf, vielleicht hier auf Mitleid zu stoßen.
„Er ist also gleich wieder fort geritten.“
„Ja“, bestätigte der Mann, der Bernhard schmerzlich pochendes Handgelenk wie ein Schraubstock umklammert hielt. „Obwohl er genau wusste, dass du noch mit ihm reden wolltest.“
„Das wundert mich nicht. Er ist ein wenig verbockt.“
„Er ist schon seit zehn Jahren verbockt “, betonte der, der Bernhard festhielt. „Er scheint zu glauben, dass er sich wirklich alles erlauben kann.“
„Er wird seine Lektion erhalten“, sagte der große Mann mit der sanften Stimme. „Dies ist erst der erste Teil der Lernstunde.“
„Ich... ich möchte...“, stammelte Bernhard mit tränenerstickter Stimme und blickte dabei zu dem großen Mann hoch.
„Was möchtest du, Kleiner?“ fragte dieser zurück.
„...nach Hause“, beendete er stockend seinen Satz. „Bitte, bitte...“
Der Angesprochene gab ein sanftes, tiefes Lachen von sich. „Morgen Nacht ist doch dein großer Auftritt, Junge. Dann wird der Mann, den deine Schwester liebt, dich ganz langsam und qualvoll sterben lassen.“
------- ANNA VON RODER ------
Sie lief die Treppe in den dritten Stock hinauf, so schnell sie ihre Füße trugen.
Der Mann unten an der Rezeption hatte ihr die Auskunft gegeben, dass tatsächlich eine Diane von Roder gestern Abend hier abgestiegen war und ihr bereitwillig die Zimmernummer gegeben. Nachdem Anna schon fünf andere Hotels erfolglos aufgesucht hatte, kam diese Auskunft wie eine Befreiung: Endlich hatte sie ihre Schwester gefunden, nachdem sie auf der Suche nach ihr fast drei Stunden lang durch die Stadt gelaufen war! Anna trommelte aufgeregt mit der Hand gegen die Zimmertür, hinter der sich ihre große Schwester verbarg.
„Diane!“ rief sie. „Ich bin’s, Anna!“
Es dauerte nicht lange, bis ihr geöffnet wurde.
Diane stand mit bleichem, übernächtigtem Gesicht an der Tür und blickte Anna erstaunt an. „Anna? Wie hast du mich denn...“
„Zuhause ist der Teufel los!“ unterbrach Anna sie aufgeregt und drängte sich an der recht perplexen Diane vorbei ins Zimmer. „Vater hatte einen Nervenzusammenbruch, sodass der Arzt zu ihm kommen
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