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Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Titel: Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Gees
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letzten Monate über so eifrig beschäftigt war. Und er hätte doch erahnen können, dass ich von seinem ‘Missgeschick am heißen Ofen’ hören und meine Schlüsse daraus ziehen würde.
    Ich sah in sein erschrecktes Gesicht, in dem deutlich geschrieben stand, dass er diese Überlegungen bisher außer Acht gelassen hatte. In der Sekunde, als ich vor ihm stand, wurde ihm erst klar, dass seine verletzte Hand ihn verraten hatte.
    „Ich habe gehört, du hast dir die Hand verbrannt?“ fragte ich ihn, der mich mit einem Gesicht ansah, aus dem in einem einzigen Augenblick die gesamte Farbe gewichen war.
    Ja, in der Gruppe hatte er sich stark gefühlt, aufgeputscht von dem Zauber des magischen Rituals, in dem Glauben, alle Dämonen der Hölle auf seiner Seite zu haben.
    Er ist in der vergangenen Nacht der erste gewesen, der die Hand gegen mich erhoben hat, in der bewussten Absicht, mich zu töten. Doch nun war nichts mehr übrig von seinem Mut. Der magische Gesang war längst verstummt, und keine dieser schwarz vermummten Gestalten deckte ihm mehr den Rücken.
    Philip ist um einiges größer, als ich. Und seine Arme haben wohl schon so manchen schweren Holzklotz gestemmt. Doch ich wusste genau, er würde es nicht wagen, mit seiner Muskelkraft gegen mich vorzugehen. Die letzte Kostprobe davon, auf welche Art ich mich zu wehren weiß, war schließlich erst wenige Stunden her. Seine verbundene rechts Hand zeugte davon.
    „Was wollen Sie?“ fragte er mit stark belegter Stimme zurück.
    Ich antwortete auf seine Frage nicht, obwohl diese sicherlich berechtigt war. Denn ich wusste selbst noch nicht genau, wie mein Besuch hier enden würde. Ich legte es nicht mehr darauf an, Blut fließen zu lassen, aber in manchen Situationen ist es schlicht und einfach unvermeidbar.
    Ich bemerkte das nervöse Zittern seiner Lippen, und auch, dass seine Augen für den Bruchteil einer Sekunde ihren Fixpunkt in meinem Gesicht verließen und nach rechts abglitten, um dann nach einer Zeit, kürzer als ein Lidschlag, wieder bei mir zu verharren. Gleichzeitig zuckten die aus dem Verband herausragenden Finger seiner rechten Hand in vager Andeutung einer Greifbewegung. Das Bild der schwarzen Pistole, mit der er in der letzten Nacht auf mich gezielt hatte, tauchte schlagartig vor meinen Augen auf.
    Ich würde wissen, wo er sie versteckt hielt, noch bevor seine Hände danach greifen konnten.
    Ein klein wenig Geduld und Vorsicht waren jedoch vonnöten.
    „Ich hoffe für euch, dass mein Fohlen lebend wieder auftaucht, nicht so, wie das Blutopfer von gestern Nacht, das ihr mir gebracht habt“, sagte ich mit leiser, ruhiger Stimme, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Ich ging einen langsamen Schritt auf ihn zu. Aus der Eile, mit der er sogleich drei Schritte zurückwich, erkannte ich, dass die Waffe irgendwo hinter ihm liegen musste.
    Das Zimmer war nur spärlich möbliert. Einen Schritt hinter Philip, an seiner rechten Seite, stand eine schäbige, alte Kommode mit fünf Schubladen. Der Bildhauergeselle startete ein lautstarkes Ablenkungsmanöver, denn mit aufgeregter Stimme deklarierte er: „Was wollen Sie eigentlich von mir? Ich habe keine Ahnung, wovon Sie eigentlich sprechen! Kommen Sie mir bloß nicht zu nahe!“
    Doch genau letzteres hatte ich in dem Augenblick vor, als Philip im Begriff war, seine Hand zur Seite auszustrecken und scheinbar zufällig einen weiteren Schritt zurück zu stolpern. Ich war so schnell bei ihm, dass er keine Chance hatte, seine Bewegung bis zum Ende auszuführen. Mit der flachen rechten Hand drückte ich Philip mit einer solchen Wucht rückwärts gegen die nicht weit hinter ihm liegende Wand, dass er schmerzvoll und erschreckt zugleich das Gesicht verzog.
    Seine Augen wurden jedoch im nächsten Moment ganz groß und weit, als er in die Mündung seiner eigenen Pistole blickte, die ich mit der linken Hand direkt vor seine Nase hielt. Nur, um ihm zu beweisen, dass auch ich eine laute Stimme hatte, brüllte ich ihn, seinen Tonfall von vorhin imitierend, an. „Ist das jetzt schon zu nahe? Vielleicht sollte ich einen Schritt zurückgehen, um besser wählen zu können, wohin ich schieße?“ Ich entsicherte die Pistole, ließ von ihm ab und ging, mit der linken Hand auf seine Stirn zielend, langsam Stück für Stück zurück.
    Er blieb an der Wand stehen, ohne sich zu regen, als sei er dort festgeklebt.
    Ich senkte meine Stimme auf ihr normales Maß für die folgenden Worte: „Ich brauche kein Feuer, um dir die Hand zu

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