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Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Titel: Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Gees
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ausgezeichnet funktioniert.“
    Menschen wie dich gibt es sehr wenige, sie sind eine seltene Besonderheit der Natur. Deine Fähigkeiten sind unserer Sache in jedem Sinne dienlich.“
    Konrads Stimme klang kalt und leer, als er leise fragte: „Aber?“
    „Die Natur“, erklärte der Priester weiter, ohne den Blick von ihm zu finden, „kann erstaunliche Werke hervorbringen. Aber sie erschafft in jedem Fall Zufallsprodukte. Es gibt keinen ordnenden Faktor. Es existiert kein Wille, und darum ist das Werk unbeabsichtigt. Es schleichen sich Fehler und Unzulänglichkeiten in einem Maße ein, dass sie durchaus von außen korrigierbar wären, fände man einen Weg, einzugreifen.“
    „Eingreifen“, wiederholte ich. Als er mich daraufhin ansah, hob ich kurz die Hand, damit er nicht weiter redete.
    Ich fühlte deutlich seine innere Anspannung, die beinah an Nervosität grenzte. Dieser Zustand war für ihn derartig ungewöhnlich, dass ich mir gewiss war, ihn noch nie zuvor so erlebt zu haben. Äußerlich wirkte er genauso kontrolliert, wie immer. Mit gerade aufgerichtetem Oberkörper saß er da, groß und würdevoll, sein Gesicht energisch und erhaben zugleich.
    Doch dies war kein Moment wie jeder andere für ihn. Es war ein Moment der Wahrheit, auf den er lange Jahre gewartet zu haben schien.
    „Du redest nicht wirklich von einer bloßen Hypothese?“ fragte ich ihn, nachdem ich eine Weile intensiv in seinen Augen geforscht hatte.
    „Es war einmal eine Hypothese“, erwiderte er langsam und seine tiefe Stimme schien die Luft zwischen uns zum Schwingen zu bringen. „Doch das ist lange her.“
    Ich lehnte mich zu ihm vor, meine Augen noch immer fest auf seine gerichtet, eine enge Verknüpfung herstellend, der keiner von uns sich zu entziehen vermochte.
    Mit äußerster Betonung stellte ich ihm die Frage: „Was hast du getan?“
    „Ich habe mir einen Wunsch erfüllt“, sagte er in bedächtigem Tonfall. „Ich habe der Natur geholfen, ihrem eigenen Werk ein wenig mehr Vollkommenheit zu geben.“
    Dies war keinesfalls eine seiner Lügen, ohne Zweifel.
Dies war der Schlüssel meiner Existenz.
„Ohne mich“, fuhr er fort, „würdest du nicht existieren: Ich habe dich ins Leben gerufen.“
    Was auch immer sich genau hinter diesen Worten verbarg, ich hatte plötzlich große Angst, es zu erfahren. Es war, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggezogen: Jegliche Definition meines Selbst löste sich in diesem Augenblick in Luft auf, und zurück blieb ein gähnendes Loch, düster und kalt.
    Es gelang mir nicht länger seinen Blick festzuhalten. Meine Augen lösten sich von seinem Gesicht und glitten zum Licht der Fackel, deren unbeständiges Feuer im selben Moment aufflammte.
    Doch er hörte nicht auf zu reden. „Robert Adlam ist tot“, sagte er. „Der Junge starb in der Nacht seiner Geburt. Und du hast seine Stelle eingenommen. Die Hebamme legte dich statt seiner in die Arme seiner Mutter.“
    Die zuckenden Flammen der Fackel tanzten vor einer Wand aus Dunkelheit.
    Ich kniff die Augen zusammen, doch das Licht des Feuers drang durch meine Lider und zauberte flimmernde rote Punkte auf ihre Innenseiten. Die Stimme des Rothans hallte in meinem Kopf, wie eine düstere Weissagung: Bastard! – Man hat der Familie Adlam ein Kuckucksei ins Nest gelegt!
„Sieh mich an“, befahl mir der
    Priester mit eindringlicher Stimme.
    Ich gehorchte ihm aus reinem Automatismus. Weil seine Stimme so beherrschend war, dass sie das einzige war, was das Chaos in meinem Inneren zu übertönen vermochte. Seine Augen saugten sich an mir fest und drangen in meinen Verstand:
    „Du hattest niemals eine Wahl“, erklärte er. „Du bist ein Teil von mir, so, wie ich ein Teil von dir bin. Du bist mit einer wichtigen Aufgabe geboren, vor der du nicht länger davonlaufen kannst. – Dein Schicksal ist vorbestimmt, durch den, der dir das Leben gab.“
    Ich schüttelte stumm den Kopf, konnte nicht reden.
Viel zu tief saß dieser Schlag.
    Der Gedanke, das Produkt einer Manipulation der Natur zu sein, nagte an den Wurzeln meiner Seele.
    „Leider ist es mir nicht gelungen, einen Menschen ohne jegliche Schwächen zu schaffen. Du bist angefüllt mit einer kaum ermessbaren Kraft – aber kraftvoll sind auch deine Gefühle. Sie haben dich eine Zeitlang aus der Bahn geworfen. Ich habe wohl zu früh zu viel von dir verlangt.“
    Auf seinem Gesicht erschien ein kleines, aber unübersehbar triumphierendes Lächeln. „Doch jetzt hast du den Schritt

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