Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
Angst...
Hastig rappelte Katharina sich auf, riss den Blick los von ihrem reglos liegenden Freund. Wieder drängten sich Tränen in ihre noch nicht lange trockenen Augen, denn trotz ihrer unsäglichen Furcht breitete sich das bitterliche Gefühl des Verlustes in ihr aus. Ihre tiefe Zuneigung zu ihm, ihre Liebe, war noch immer da. Und sie tat weh. Doch es war der Schauder des schieren Entsetzens, der sie letztlich aus dem Raum trieb – und aus dem Haus, das jahrelang wie ein Zuhause für sie gewesen war.
------- ROBERT ADLAM ------
Er folgte Katharinas hastiger Flucht mit den Augen, sah ihren wirbelnden Rocksaum ganz dicht an seiner Seite über den Boden streifen und hörte die klappernden Schritte, die sich - halb rennend, halb stolpernd - entfernten.
Dann fiel die Zimmertür mit einem lauten Knall ins Schloss. Die Stille in ihm glich einer starken Betäubung, jedoch sein Kopf war frei und klar.
Das Bewusstsein hatte ihn nur für wenige Sekunden verlassen. Dass er zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit dem Tod so knapp entkommen war, erfüllte ihn höchstens mit ein wenig Verwunderung. Ansonsten hatte der heftige Gefühlsaufruhr in ihm nur eine bodenlose Leere hinterlassen. Genau, wie der gewaltige Ausbruch ihm war vertraut gewesen war, war ihm diese Art der Erschöpfung eine wohlbekannte Erscheinung. Wie oft hatte er in seiner Vergangenheit als gelehriger Schüler des Priester nach langen erschöpfenden Stunden auf dem Waldboden gelegen, den Blick auf die schwarzen Konturen der Baumkronen gegen den vom Mond erleuchtete Nachthimmel gerichtet.
Die Welt ringsherum war bedeutungslos in solchen Phasen der Ruhe. Alle Sinne leisteten ihre volle Arbeit, aber der restliche Körper und auch die Gefühlswelt waren wie gelähmt. Doch war es möglich, willentlich die Lähmung zu unterbrechen. Und das geräuschvolle Schließen der Tür hinter Katharina gab ihm den letzten Ruck, sich endlich aus diesem Zustand der Trance zu befreien.
Er setzte sich sehr langsam auf. Er wollte nicht durch hastige Bewegungen die starken Gefühle auffordern, zurückzukommen. Es sollte ruhig in ihm bleiben, damit er sachlich betrachten konnte, was genau geschehen war. Aus seiner jetzigen Perspektive erkannte er dort, wo Diane auf dem Boden lag, nur einen Haufen Kleider – und ein Paar Füße in zierlichen Schuhen. Er stand auf und ging bedächtig durch die Raum, bis der an Dianes Seite stand. Dann kniete er sich neben sie auf die Erde. Ihr Gesicht war um Nase und Mund blutverklebt, und auch an ihrem Hals hatte die rote Flüssigkeit bereits zu trocknen begonnen. Augen und Stirn waren frei von Blut – die Haut jedoch war totenbleich.
Robert spürte einen Stich in seinem Inneren, der nicht körperlicher Natur war. Er griff nach Dianes Hand, die ganz verdreht neben ihrem Kopf lag, und hielt sie fest. Die Hand war noch warm, doch kein bisschen Lebensenergie war in ihr zu spüren. Gegen seinen Willen bäumten sich seine Gefühle wieder auf. Sein Herz verdüsterte sich und eine tiefe Traurigkeit hielt Einzug.
Sie war tot.
Und er war ihr Mörder.
Er beugte sich zu ihr nieder und legte seine Stirn an ihre Schläfe. Ihr Kopf fühlte sich kühl an gegen seinen. Robert schloss die Augen, atmete tief und zitternd durch.
Warum lege ich mich nicht gleich neben sie zum Sterben nieder, dachte er . Wenn das hier alles ist, was ich kann...
Was für ein Monstrum war er?
Hatte der Priester ihn aus Blut und Eis gemacht?
Kein Mensch, nein. Und nichts, was über einem Tier steht.
Die Hitze entflammte wieder, die innere Stille war endgültig zerstört.
Er hob den Kopf, betrachtete ihr bleiches Gesicht für wenige Sekunden. Dann glitt der Daumen seiner linken Hand durch die Lache schwimmenden Blutes neben ihrem ausgebreiteten Haar.
Zwei Zeichen aus Blut malte er auf ihre Stirn.
Das Symbol für Hoffnung – und das für Vergebung.
Doch in Wahrheit glaubte er nicht an die Vergebung. Ihm würde keine zuteil werden – und er selbst konnte sie auch nicht gewähren.
„Auf die Hoffnung“, murmelte er und wiederholte so ihren gemeinsamen Trinkspruch, der sich am Ende als unerwartete zerstörerisch erwiesen hatte. Er strich mit dem Daumen über ihre geschlossenen Augenlider und hinterließ dort Spuren ihres eigenen Blutes.
Zwei tödliche Fallen – und sie hatten wahrlich am Ende den Tod gebracht. Nur nicht den des verhassten Feindes – sondern des willigen Werkzeugs. Diane hatte unter dem Schutz eines starken Zaubers gestanden. Eines
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