Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
verharrte jedoch an derselben Stelle.
Er fühlte seine Körpertemperatur schlagartig weiter ansteigen, als wenn sich aus einer schwelenden Glut in seinem Inneren ein flackerndes Feuer entfachte. Seine blutleeren Hände ballten sich ganz automatisch zu Fäusten, obwohl er die eigenen Finger kaum spüren konnte. Dianes Gesichtsausdruck veränderte sich mit einem Mal. Er erkannte in ihrer Miene eine Art erschrockener Verwunderung, die er schon auf den Gesichtern unzähliger Opfer gesehen hatte, die spürten, dass hier etwas vor sich ging, was sie ganz und gar nicht begriffen. Doch er fühlte auch, dass sie sich plötzlich gegen seinen unerwarteten Eingriff in ihr Bewusstsein zur Wehr setzte. Kein anderer der Unkundigen, die kurz darauf den grausamen Opfertod auf des Priesters Altar gestorben waren, hatte dies jemals auch nur versucht.
Aber die Schranken, die sie zu errichten suchte, waren unzureichend.
Und in seinem geschwächten Körper rollte ein lodernder Feuersturm heran, der ihren Widerstand zerschmettern würde. Doch fühlte er sich selbst kaum bereit für das, was er in sich herannahen spürte. Es war, als wenn er mit den Händen nach etwas greifen würde, was ihm immer wieder entglitt. Es war noch möglich, es zu fassen zu bekommen und die Kontrolle zu behalten – vielleicht wäre dies ihm sehr viel leichter gefallen, befände er sich nicht in diesem desolaten Zustand.
Wiederum riss er an den Handfesseln, jedoch war ihm dies kaum bewusst, denn das Chaos in seinem Inneren hielt seinen Geist in Beschlag. Dass die Stricke um seine Handgelenke zerrissen wie dünne Grashalme, bemerkte er erst, als sich seine Arme wie ferngelenkte, nicht zu ihm gehörende Körperteile Diane entgegenstreckten, die Handflächen senkrecht, so, als wolle er damit etwas von sich stoßen.
Katharina schien die Angst vor der auf sie gerichteten Waffe vergessen zu haben. Mit panischem Gesichtsausdruck kroch sie auf allen Vieren rückwärts von ihm weg, so, als sei er es, und nicht Diane, der sie mit dem Tod bedrohte. Dianes zitternde Hand ließ die Pistole fallen, die gleich darauf laut zu Boden polterte. Doch dass die Waffe nun fort war, zählte nicht mehr. Es waren Tore geöffnet worden, die nicht mehr zu schließen waren.
Aus unzähligen langen Nächten im Wald, damals, als er noch ein halbwüchsiger Junge gewesen war, kannte Robert das Gefühl des völligen Kontrollverlustes. Damals war es ein aufregendes Spiel gewesen, die Grenzen seines Selbst zu überschreiten. Zum Schaden hatte es nur jenen gereicht, die ihm ohnehin gleichgültig waren. Menschen, die der Priester zu Opfern erwählt hatte und deren Wert in seinem Kopf den eines Tieres nicht überstieg. Doch nun brach es wieder mit aller Gewalt hervor: Das, was er für viele Jahre in einem tief verborgenen Winkel eingeschlossen hatte. Dem Rothans hatte er vor wenigen Tagen einen durchaus kontrollierten Schaden zugefügt. Doch nun verlangte es gierig nach Freiheit.
Er war ein überfließendes Gefäß. Der Deckel wurde von einer unbändigen Kraft fortgerissen. Seine Beine waren im nächsten Augenblick frei, ohne, dass er ihrer Befreiung Beachtung geschenkt hatte. Heftige Vibrationen breiteten sich in der Luft um ihn herum aus, und die Hitze aus seinem Inneren ließ die
Raumtemperatur in die Höhe schnellen.
Katharina gab einen Schrei von sich, der von purem Horror erfüllt war. Doch er sah nur noch Diane an, die keinen Laut von sich gab und auch keinen Zentimeter vor ihm zurückwich. Aus ihren Augen sprach maßlose Angst – doch zugleich ein trotziger Stolz und der alte, flammende Hass.
Robert stand jetzt fest auf seinen Beinen, die ihn noch vor wenigen Sekunden kaum hätten tragen können. Eine Woge heißer Energie durchflutete ihn, drang unbändig in die Außenwelt und zerschnitt die Luft wie eine scharfe Sichel. Dianes Kopf floss in den Nacken, als habe ihr jemand einen kräftigen Schlag verpasst. Sie stolperte rückwärts, während ein Schwall flüssigen Blutes aus ihrer Nase quoll, in vielen schmalen Rinnsalen über ihre Lippen hinweg rann und auf Kleid und Boden tropfte. Ihre Hände schnellten zu ihrem Hals, aus ihrer Kehle kam ein würgender Laut.
Der zweite Stoß traf sie noch härter, sodass sie hintenüber stürzte, mit Rücken und Hinterkopf krachend auf dem harten Parkettboden aufschlug, als habe eine unsichtbare Riesenhand ihr einen gewaltigen Hieb versetzt. Regungslos blieb sie auf der Erde liegen. Kein Schreien, kein Weinen erklang. Nur Katharina hockte wimmernd
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