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Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Titel: Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Gees
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war es vorerst, an den begehrten Ort zu gelangen, der eigentlich seinem Zugriff entzogen worden war. Dianes Bild war völlig aus seinem Kopf verbannt. Keine Trauer mehr – nur noch wilde Entschlossenheit. Eine Konfrontation mit dem Priester fürchtete er nicht. Vielleicht sehnte er sie sogar herbei. Damit endlich eine Entscheidung viel.
    Er ging zielgerichtet auf den Eingang zu, ließ sich keinen Zentimeter mehr ablenken von seiner Richtung. Und auch, als er die zweite Barriere erreichte, zögerte er keinen Augenblick lang. In der letzten Stunde waren ihm derartig zahlreiche Schmerzen widerfahren, dass es ihm kaum noch etwas ausmachte, als die unsichtbare eiserne Hand wieder nach seinem Herzen griff und fest zudrückte. Er wollte keinen Schritt zurückweichen, keine Sekunde innehalten. Gegen die peinigende Barriere setzte er seinen harten Willen.
    Heute war er schon zweimal gestorben. Ein drittes Mal dem Gevatter Tod direkt ins Angesicht zu sehen war sicher kein Vergnügen – aber vielleicht würde er auch das überstehen.
    Ein erbarmungsloser Kampf nahm seinen Anfang, Schritt für Schritt führte ihn sein Weg immer tiefer in die Hölle. Auch, als der heftige Schmerz des Widerstandes ihn fast blind machte, ihm die Sinne raubte, ging er weiter und weiter.
    Kein Moment des Zagens.
     
    Kein Augenblick der Erholung.
     
    Nein, rein gar nichts vermochte es, ihn aufzuhalten.
     
    Sein Weg führte direkt geradeaus.
     
    Immer weiter.
    Den Wald um ihn herum nahm er bald nicht mehr wahr, die Bäume verschwanden und wurden zu bloßen, konturlosen Schatten. Kein Geräusch drang mehr an seine Ohren, nur noch sein eigener Atem. Hart und stoßweise. Seine Willenskraft war stärker, als die eiserne Hand, die ihn wie ein Insekt zerquetschen wollte. Seine kompromisslose Unnachgiebigkeit brachte ihn an sein Ziel, ohne dass die drohende Ohnmacht ihn überwältigen konnte.
    Der über den Eingang gerollte Stein kennzeichnete den Ort, an dem Robert endlich stehenblieb. Sein Körper glühte wie während eines tödlichen Fiebers. Mit der Hand fuhr er sich durch das schweißnasse Haar, beugte den Kopf zurück und atmete tief durch. Die Kühle der Waldluft konnte nichts ausrichten gegen die innere Hitze. Aber es war nur noch seine eigene Energie, die er da spürte. Aufgewühlt wie ein heftig tosendes Meer.
    Die Barriere des Priesters hatte er überwunden.
    Ihm war jedoch klar, dass dies vielleicht nicht die letzte Sperre gewesen sein könnte. Der Priester hatte die starke Neigung, Informationen für sich zu behalten. Zumeist waren es wichtige Einzelheiten, deren Fehlen das Gesamtbild zur Unkenntlichkeit verzerren, jedoch so, dass der unbedarfte Betrachter immer den Eindruck haben musste, es fehle rein gar nichts.
    „Halte immer alle Sinne offen, nicht nur die fünf alleine, die dich so leicht in die Irre führen.“
    Des Priesters eigene Worte – und vielleicht der einzige Weg, seine arglistigen Täuschungen zu umgehen. Der Stein über dem Eingang fühlte sich rau und kühl unter seinen Händen an. Er war nichts weiter, als ein unverändertes Produkt der Natur, nicht unbedingt ohne Anstrengung zu bewegen, jedoch durchaus von einem Mann von der Stelle zu rücken. Darunter tat sich der dunkle Schacht auf, der in die Tiefe führte.
    Robert stand eine Weile nur da, den Blick auf das finstere Loch im Boden gerichtet, den Geist weit geöffnet, den Raum unter sich Stück für Stück abtastend. Dort unten gab es nicht nur Fels und Erde. Zwischen den zerklüfteten, niedrigen Wänden pulsierte etwas Lebendiges. Es war nur ganz schwach wahrnehmbar, aber es war unverkennbar da. Also war sein Misstrauen gerechtfertigt gewesen – das Unangenehme war nur, dass er nicht wusste, was da unten genau auf ihn lauerte. Also musste er sich auf wirklich alles gefasst machen, wenn er dort hinunter gehen wollte.
    Dass ihn jedoch nichts in der Welt davon abhalten konnte, diesen Weg weiter zu gehen, stand fest. So musste er sich wohl ganz auf sich selbst und seine Fähigkeiten verlassen. Doch hatte er genau das nicht schon immer getan, sein ganzes Leben lang?
    Robert fand keinen Grund, gerade jetzt damit anzufangen, an sich selbst zu zweifeln. Also machte er sich auf, den Schacht hinabzusteigen, ohne die vollste Konzentration auf seine Umgebung zu verlieren. Die bekannte Dunkelheit umschloss ihn bald, doch seine Wahrnehmung wurde dadurch nicht beeinträchtigt. Das Gefühl, etwas Unerwünschtes, Lebendiges befände sich ganz in seiner Nähe, begleitete ihn. Jedoch

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