Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
aufgesetzt worden, stellte Katharina fest. Sie las den relativ knappen Text langsam und sorgfältig:
„Ich habe Dir bereits meine wichtigsten geschäftlichen Unterlagen gezeigt und Dich kurz darin eingewiesen. Mein Anwalt wird dir deshalb heute keine überraschende Nachricht überbringen.
Mein Besitz, der heute auf Dich übergeht, wenn Du diese Schenkung annimmst, ist nicht unbeträchtlich. Wenn Du Scarheim verlassen willst, steht es Dir frei, das Haus und die Pferde zu verkaufen. Das Abschließen neuer Geschäfte oder das Verlängern von Verträgen liegt in Deiner freien Entscheidung.
Mein Anwalt wird Dir eine Anzahl wichtiger Dokumente überreichen, die größtenteils von mir schriftlich kommentiert sind, sodass Du dich zurechtfinden kannst. Ich denke, es wird einige Zeit intensiven Studiums benötigen, bis Du einen Gesamtüberblick hast und erste Entscheidungen über das weitere Vorgehen treffen kannst. Ich weiß, dass dies alles für Dich einem Sprung ins kalte Wasser gleicht, da Du keine Erfahrung im kaufmännischen Bereich besitzt. Wenn Du Rat von einem Fachmann brauchst, dann wende Dich bitte an Herrn Johan Deweri in Feldfes. Er ist vertrauenswürdig, wird allerdings für seine Hilfe eine Bezahlung verlangen.
Unabhängig davon, ob ich, während Du dieses Schreiben liest, noch lebe oder nicht, kann ich Dir versprechen, dass Du von mir weitere Nachricht erhalten wirst. Du wirst Dich erinnern, dass ich Dir noch ein Geschenk schuldig bin. Es ist dafür gesorgt, dass es Dir in einiger Zeit zukommen wird.
Viel Erfolg für Deine Zukunft.
Dass wir uns irgendwann einmal wiedersehen, ist nicht völlig ausgeschlossen. R.A.“
Nachdem Katharina geendet hatte, starrte sie einige Momente lang auf das Stück Papier in ihren Händen. Sie war von dem sachlichen Ton unangenehm berührt, denn sie hatte einen Brief erwartet, der eine persönlichere Note trug. Aus diesen gefühlsneutral gehaltenen Zeilen konnte sie keine Spur der tiefen Zuneigung ablesen, die Robert von Zeit zu Zeit ihr gegenüber hatte durchscheinen lassen. Sie wusste zwar, wie wechselhaft die Gefühle waren, die er nach außen hin zeigte, hätte aber in der momentanen Situation einen solch distanzierten Brief nicht erwartet. Einige persönliche Zeilen wären ihr lieber gewesen, als all das Geld, das er ihr in die Hände legte.
Sie hungerte direkt nach einem lieben Wort, sei es auch nur ein geschriebenes. Denn, eingeschlossen in diesem großen Haus, litt sie unter Einsamkeit. Ihre Familie hatte zu keinem Zeitpunkt Kontakt mit ihr aufgenommen und ihr Trost und Hilfe angeboten. In den Ort hatte sie sich in den vergangenen zwei Wochen nur für kurze Einkäufe gewagt und dabei zu spüren bekommen, wie sehr sich die allgemeine Wut auch auf sie richtete.
Der Anwalt wartete geduldig ab, bis sie von dem Brief hochblickte und so signalisierte, dass sie wieder für ein Gespräch bereit war. „Möchten Sie nun“, fragte er, „die formellen Angelegenheiten mit mir besprechen?“
„Ich fürchte, ich stecke schon mitten im formellen Teil“, erwiderte Katharina, ohne ihre Enttäuschung vor dem Anwalt zu verbergen.
Josef Schmid zog kurz die Augenbrauen hoch, stellte aber keine Frage bezüglich des Inhalts des Schreibens. Er griff wieder in seinen Koffer und holte einen Stapel Papiere hervor.„Ich hoffe, Sie haben einige Stunden Zeit“, sagte er.
Es folgte ein anstrengender Nachmittag und Abend.
Für Katharina war es kaum zu glauben, in welch unterschiedlicher Art und Weise Robert sein Geld investiert hatte und wie erstaunlich erfolgreich er damit gewesen war. Sie hatte große Zweifel, dass sie selbst auch nur annähernd sein geschäftliches Gespür besaß. Das kaum fassbare Vermögen, auf unterschiedlichste Weise angelegt, würde ihr wie Sand durch die Finger rinnen und innerhalb kürzester Zeit verlorengehen, dessen war sie sicher. Doch dies war nicht der hauptsächliche Grund, warum sie gegenüber dem Anwalt betonte, sollte Robert irgendwann wieder nach Hause kommen, würde sie die gesamte Transaktion, die eigentlich als endgültig geplant war, rückgängig machen und ihm alles zurückgeben.
Sie wollte Roberts Eigentum nicht.
Nicht sein riesiges Haus, nicht seine Pferdezucht, nicht sein Vermögen.
Was sie brauchte, war sein menschlicher Beistand.
Und die alte, heile Welt.
Am Ende stellte der ansonsten sehr diskrete Herr Schmid ihr doch noch eine indiskrete Frage.
„Es kursieren Geschichten, was den Tod dieser adeligen Dame betrifft.
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