Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
Es ist doch wohl nur ein Gerücht, was diese Zeichen aus Blut betrifft, auf ihrem Gesicht...? Verstehen Sie mich richtig: Ich möchte gerne diesem abergläubischen Geschwätz etwas entgegensetzen.“
Katharina konnte nur mit Schweigen antworten. Die grausigen Zeichen hatte sie bei ihrer Rückkehr in das Haus, nach einer angsterfüllten Nacht unter freiem Himmel, selbst zu Gesicht bekommen: Rätselhafte, ineinander verschlungene Linien aus getrocknetem Blut. Sie hatte sich an irgendwelche archaischen Rituale erinnert gefühlt. Schauderhaft. Der Anwalt las aus ihrem Gesicht die unerfreuliche Antwort, die er wohl nicht erwartet hatte.
„Also... ist es wahr?“, erkundigte er sich zögernd.
Katharina antwortete, in der Hoffnung, von diesem reichlich unheimlichen Thema etwas ablenken zu können: „Es ist so vieles noch ungeklärt. Sein Pferd zum Beispiel kam noch in derselben Nacht zum Stall zurück, nur versehen mit einem Halfter. Er ist oft ohne Sattel geritten, aber nur auf kurzen Strecken. Irgendjemand hätte ihn sehen müssen, irgendein Ziel muss er ganz in der Nähe gehabt haben.“
Sie fühlte sich elend.
Herr Schmid verabschiedete sich dann auch schnell. Er spürte zum Glück, dass sie noch weit davon entfernt war, die ganze Sache zu verarbeiten.
„Sehen Sie sich noch einmal in Ruhe alles an“, riet er und wies auf die Dokumente, die sie gemeinsam durchgegangen waren. „Und wenden Sie sich jederzeit an mich, wenn Sie Hilfe brauchen. Ich bin nicht nur sein Anwalt gewesen, sondern wir waren zum Teil auch Geschäftspartner. Und zu einem gewissen Grad so etwas, wie Freunde. Wenn ich Ihnen nicht selbst helfen kann, dann kann ich Ihnen zumindest die Beratung von Fachleuten vermitteln.“
Er machte eine Pause, und, bevor er das Haus verließ, fügte er noch an: „Ich versichere Ihnen, dass ich auf Ihrer Seite stehe. Ich kenne Herrn Adlam nun schon seit sechzehn Jahren. Er ist ein Sonderling. Aber er bringt nicht einfach irgendwelche Menschen um.“
Katharina war überrascht.
Sie hatte noch nie jemanden getroffen, der sich, außer ihr selbst, in irgendeinem Sinne als Roberts ‚Freund‘ bezeichnete. In ihr keimte die Hoffnung, dass es vielleicht noch mehr ihr unbekannte Menschen gab, die ihm verbunden waren und an die er sich wenden konnte.
B l u t u n d E i s
Die Männer standen erstarrt und schweigend, den Blick auf die Stelle gerichtet, wo ihr Kreis geöffnet war. Auch der Mann in ihrer Mitte drehte sich langsam um, wandte dem leblosen, kleinen Körper, der ein Stück weit vom Opferstein entfernt lag, den Rücken zu. Zwei Gestalten lösten sich aus der Dunkelheit des Waldes, näherten sich mit bedächtigen Schritten. Sie waren vollkommen schwarz verhüllt, genau, wie alle anderen.
Seite an Seite gingen sie.
Die eine Gestalt war überdurchschnittlich groß und kräftig, die andere etwas kleiner und von schlankerem Körperbau. Unruhe kam auf, als die beiden den Kreis betraten. Der ein oder andere zeigte Tendenz, ein wenig zurückzuweichen, jedoch wagte es niemand, auch nur einen Schritt aus dem Kreis zu treten. Man hatte ihnen gesagt, dass der alte Feind sich abermals gegen sie gewendet hatte, in der Absicht, ihre Gemeinschaft zu zerstören und jeden einzelnen von ihnen bis zum bitteren Ende zu verfolgen. Deshalb, so war die Information gewesen, war Robert Adlam nun ein Gefangener des Priesters.
Doch der im Gewand der schwarzen Brüder verhüllte Begleiter des Priesters, von dem alle wussten, dass es sich um Robert Adlam handelte, schien selbst bei genauerem Hinsehen kein Gefangener zu sein. Er trug keine Fesseln. Von seinen Händen waren unter den langen, weiten Ärmeln nur die Fingerspitzen zu sehen, doch die Arme waren eindeutig frei. Das Gewand reichte bis zum Boden, aber die Schritte des Mannes wiesen, obwohl sie ein wenig unsicher erschienen, auf keine Behinderung durch eine Fußfessel hin.
Der Priester gab seinem Begleiter durch eine kurze Berührung mit der Handkante zu verstehen, dass er stehenbleiben sollte. Dieser tat folgsam, wie ihm geheißen wurde. Der Meister selbst setzte seinen Weg fort, an seinem Schüler vorbei, der kurz den Kopf neigte und dann wieder seinen Platz innerhalb der Reihen der Helfer einnahm.
Ohne dem toten Körper auf der Erde Beachtung zu schenken, bewegte sich die mächtige Gestalt weiter vorwärts, umrundete den Opferstein und platzierte sich dahinter, seinem noch immer bewegungslos verharrenden Begleiter frontal gegenüber. Er hob die Stimme. Die alte Sprache
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