Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
wiederholte Robert die unbeantwortet gebliebene Frage in hitzigem Ton. Er konnte nicht die Beherrschung aufbringen, nach außen hin ruhig zu bleiben. Zu heftig wütete das heiße Feuer, das keinen Weg nach draußen fand.
„Immer in meiner Nähe“, erwiderte sein Gegenüber. „Seit jenem Tag niemals mehr als hundert Schritt von mir entfernt.“
„Er lebt also?“ fragte Robert weiter.
„Er lebt. Und er ist unversehrt. Genau, wie du, mein lieber Freund.“
„Aber er ist frei , wie ich deinen Worten entnehme.“
„Nicht wirklich“, war die Antwort. „Er findet sich nur nicht unter den gleichen Bedingungen wieder, wie du.“ Eine Pause, doch es war deutlich zu spüren, dass der Priester noch etwas anfügen wollte. „Sein Hass gegen dich sitzt so tief, wie ein Gefühl nur gehen kann. Doch gegen mich wird er sich nicht mehr kehren. Denn im Gegensatz zu dir kennt e r so etwas wie Achtung vor seinem Lehrer, seinem Meister. Und ich brauche ihn noch. Zur Ausführung meiner weiteren Pläne.“
„ Halte ihn fern von mir “, sagte Robert, und das Beben in seiner Stimme war dabei unvermeidlich. „Du willst nicht, dass ich mich selbst verletze. Wenn du deinen Narren in meine Nähe lässt, dann kann ich dir für gar nichts garantieren. Vielleicht kann dieses Stück Stoff ab einem gewissen Punkt Feuer fangen...“
15. Der Tod
------- KATHARINA ------
Der Mann mit dem grauen Bart und der spitzen Nase stellte sich als Josef Schmid vor. Er war Anwalt. Vor Jahren hatte er einmal die Vormundschaft für den einzigen Überlebenden der Familie Adlam übernommen, auf Anfrage des neunjährigen Waisen selbst. Katharina hätte ihm beinah nicht die Tür geöffnet, denn seit Tagen ließ sie niemanden mehr ins Haus. Mit Ausnahme der Polizei, denn dazu war sie verpflichtet.
Der Anwalt hatte sich jedoch im Läuten, Klopfen und Rufen als unnachgiebig erwiesen.
„Verzeihen Sie, dass ich so penetrant gewesen bin“, entschuldigte sich Herr Schmid sogleich, nachdem er sich vorgestellt hatte. „Ich bin imAuftrag von Herrn Adlam hier. Natürlich kann ich gut verstehen, dass Sie es im Moment vorziehen, in Ruhe gelassen zu werden.“
„In Herrn Adlams Auftrag?“ erkundigte sich Katharina mit einer Mischung aus Angst und Hoffnung, während sie den Besucher in Roberts Empfangszimmer mit den bequemen Sesseln und dem Kamin führte. „War er bei Ihnen? Haben Sie ihn gesehen?“
Herr Schmid zuckte mit einem entschuldigenden Blick die Achseln.
„Den Auftrag hat er mir einige Tage vor seinem Verschwinden gegeben: Sollte er zwei Wochen lang vermisst gemeldet sein, so habe ich mich an Sie zu wenden, Frau... Rothans. Der Fall ist eingetreten, obwohl ich vorher daran gezweifelt habe.“
Er legte seinen braunen Lederkoffer auf dem Tisch ab und öffnete ihn sogleich. Katharina ließ sich in einen der Sessel fallen. Dieser Zustand der Ungewissheit dauerte nun schon so lange an, dass sie schon Anfänge von Gewöhnung bei sich feststellte. Überhaupt keine aktuellen Nachrichten waren immerhin besser, als weitere schlechte. Wenn die Polizei ihn fand, dann hatte er mit ziemlicher Sicherheit mit einer Anklage wegen mehrfachen Mordes zu rechnen.
Ein junger Polizist, den seine Kollegen ‚Eddi‘ nannten, hatte sich hier im Haus während der Spurensicherung wütend geäußert: „Man sollte diesen Kerl einsperren und solange jeden Tag prügeln wie einen Hund, bis er verreckt!“
Die Polizei kannte natürlich Katharinas Aussage, dass es sich bei Fräulein von Roders Tod nicht um Mord, sondern um Notwehr gehandelt habe. Doch ihre Version der Ereignisse wurde als unglaubwürdig angesehen. Man riet ihr sogar, sollte es zu einer Verhandlung gegen Herrn Adlam kommen, solle sie sich dem Gericht gegenüber besser an der Wahrheit halten.
Herr Schmid griff zuerst nicht in den geöffneten Koffer, sondern blieb mit hängenden Armen vor dem Tisch stehen. „Ich fürchte, er tut gut daran, sich nicht mehr hier blicken zu lassen. Wenn sie ihn erwischen, hat er nur zwei Möglichkeiten: Entweder wird er als Mörder verurteilt oder sie lynchen und steinigen ihn, wie im finsteren Mittelalter.“
Katharina hatte schon so häufig über dieses Thema nachgedacht, dass sie keine Lust verspürte, auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Die grausamen Bilder lebten noch in ihrem Kopf, beinah wie eigenständige Wesen. Und neue Bilder, die sie selbst nie mit eigenen Augen gesehen hatte, gesellten sich hinzu: Josefine - die arme, gute Josefine
– mit einem blutigen
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