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Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Titel: Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Gees
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Geschenk an Sie, Frau Rothans. Aus dem Lageplan können Sie ablesen, wo genau es zu finden ist.“
    Katharina hielt die Fuchsstute vor dem kleinen Gebäude mit seinem runden Türmchen und den farbig verglasten Fenstern. Die Kapelle stand an einem ruhigen Ort am Waldrand, von hohen, alten Bäumen umringt. Das Laub der Bäume zeigte sich in den wärmsten Herbstfarben, in schöner Harmonie mit den erdfarbenen Tönen der Kapelle. Es war ein erstaunlich hübscher, zierlicher
    Bau, der in einer verblüffend kurzen Zeit entstanden war. Die Fenster endeten oben in einem geschwungenen Spitzbogen und zeigten figürliche Darstellungen in detailreicher Bleiverglasung, deren Sinnzusammenhänge Katharina auf dem ersten Blick nicht erfassen konnte. Sie schloss zuerst das aus Schmiedeeisen bestehende Gitter auf, das noch vor die eigentliche Eingangstür gesetzt war. Dann konnte sie die Holztür öffnen, die ins Innere der Kapelle führte.
    Das Tageslicht fiel durch die farbigen Fenster gedämpft in den Innenraum und auf den Altar, der dem Eingang gegenüber, hinter einer einsamen, hölzernen Kniebank, aufgestellt war. Voller Staunen erforschten ihre Augen dieses anmutige Kunstwerk in dem ansonsten kahlen Raum: Fein gearbeitete, geschwungene Säulen, von Weinlaub umrankt, dazwischen Engel und verschiedene Heilige. Die Farbigkeit war intensiv, jedoch einer reduzierten Farbpalette entnommen.
    Hier und da, als sparsamer Akzent, erfreuten Vergoldungen mit ihrem leichten Schimmer das Auge. Sie hatte die unfertigen Teile in der Bildhauerwerkstatt gesehen, konnte sich jedoch jetzt ihrer Faszination nicht erwehren: Nun, da sie den wundersamen Einklang des Gesamtwerks wahrnahm, ahnte sie erst, welch künstlerisches Gefühl und Können in dieser Bildhauerarbeit steckte. Aber der Altar war noch nicht völlig fertig: In der oberen Zone brach das Kunstwerk abrupt ab. Die Bekrönung war wohl in der Kürze der Zeit nicht zu vollenden gewesen. Doch wahrscheinlich, so, wie Katharina Robert kannte, war dafür gesorgt, dass auch diese bald fertiggestellt würde.
    Plötzlich blieb ihr Blick an einem Detail hängen, das ihr im ersten Moment eine prickelnde Gänsehaut verursachte: Ein Gesicht, rund und weich, gerahmt von zwei braunen, geflochtenen Zöpfen. Hölzerne, braun bemalte Augen erwiderten ihren Blick. Die Figur stand im anmutigen Kontrapost, in der Hand der Palmzweig des Märtyrers, den Arm gestützt auf ein gebrochenes Wagenrad. Wie magisch angezogen ging Katharina auf die zierliche Figur zu: ein kleines Spiegelbild ihrer selbst. Die Nackenhaare richteten sich in einem Schauer auf. Gespenstisch ähnlich war ihr dieses Abbild: die heilige Katharina von Alexandrien in einem hellen Gewand, das ihrem eigenen Kleid glich. Sie blieb direkt vor der Figur stehen. Die so lebendig erscheinenden, braunen Augen starrten ihr entgegen.
    „Nicht zu glauben“, murmelte Katharina vor sich hin und wagte es nicht, die Hand auszustrecken und ihr Ebenbild zu berühren. Wahrscheinlich handelte es sich um ein Gespenst, eine Täuschung.
    Dass Robert einen Hang zu Überraschungen besaß, im Guten, wie im Schlechten, das hatte sie schon des Öfteren erfahren. Aber mit einer solchen Verrückheit hatte sie nicht gerechnet.
    Ein Stück Papier befand sich hinter der Skulptur, senkrecht hingestellt, die Ränder waren links und rechts deutlich zu sehen. Katharina zögerte, es hervorzuholen. Aber ihre Neugier siegte schließlich. Und so entdeckte sie eine neuerliche Überraschung, die für einen Moment ihre Augen feucht werden ließ:
    Sie sah ein weiteres Mal sich selbst, fotografisch festgehalten an einem warmen Frühlingstag desselben Jahres, vor der grünenden Laube im Garten. Robert stand dicht an ihrer Seite, hielt ihre Hand und ihre Blicke begegneten sich in großer Ernsthaftigkeit. Auch, wenn dem Bild die Farbe fehlte, schien es doch so natürlich, als könne man hineingreifen und so in Kontakt mit einer anderen Zeit gelangen, die hundert Jahre vergangen zu sein schien.
    Es war Katharina nicht möglich, die Tränen zu unterdrücken: Sie war einsam ohne ihn.
    Und Gott allein wusste, wo er war – und ob er jemals zurückkommen würde.
    Das Rätsel der Ähnlichkeit der zierlichen Skulptur mit ihr selbst hatte sich nun gelöst: Die Fotografien hatten also genau diesem Zweck gedient: Ein genaues Abbild von Katharina zu schaffen. Sich selbst in Gestalt einer Heiligen zu sehen, verursachte, trotz ihres Entzückens über die Schönheit dieses faszinierenden Geschenks, ein

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