Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
herzurichten und morgens das Frühstück für die Herrschaften zu bereiten. Doch heute war bei ihr niemand angemeldet worden, mit Ausnahme des kleinen Jungen, der in dem zu Herrn Adlams Schlafzimmer angrenzenden Raum schlief und garantiert nicht mit tiefer männlicher Stimme nächtliche Selbstgespräche führte.
Magarete bemühte sich, bei ihrem Weg
durch den Raum möglichst wenige Geräusche zu machen. Vorsichtig schob sie ihre Zimmertür auf und linste auf den Flur. Dort war niemand zu sehen, doch die Stimmen waren nun deutlicher zu hören. Es waren mehrere Männer, vielleicht sogar mehr als zwei, die da sprachen. Und sie benahmen sich absolut nicht wie Einbrecher, die sich davor fürchten, gehört oder gesehen zu werden. Sie redeten in einer Lautstärke, dass man meinen konnte, sie seien hier Zuhause. Magarete vermutete deshalb, dass ihre Ängste etwas übertrieben waren und die Männer mit Herrn Adlams Einverständnis im Haus weilen mussten. Aber aufgrund der seltsamen Umstände musste die Haushälterin diese Vermutung auf alle Fälle überprüfen, um sich selbst zu beruhigen.
Sie überquerte den Flur und folgte den Stimmen bis zu der Schlafzimmertür des Jungen. Sie legte kurz das Ohr auf das Türblatt, um sich so zu vergewissern, dass ihr Gehörsinn sie nicht in die Irre leitete. Ja, da waren Männer im Zimmer, die sich laut unterhielten. Es wurde scheinbar heftig gestritten, und Magarete war bei dieser Erkenntnis gar nicht wohl zumute.
Plötzlich riss jemand von innen die Tür auf.
Magarete bekam einen Riesenschreck, konnte das Gleichgewicht nicht halten und stolperte zwei Schritte nach vorne, in den Raum hinein. Ein lautes ‘Huuuch’ entfuhr ihr, doch dann stand sie wie erstarrt und blickte mit offenem Mund um sich. Schwarze Gestalten umringten sie, mit dunklen Gewändern, die bis zum Boden reichten. Sie trugen schwarze Kapuzen mit schmalen Sehschlitzen und blieben so auf unheimliche Weise gesichtslos.
Der Raum wurde nur von einer einzigen kleinen Lampe schwach beleuchtet. Und dieses kleine Flackerlicht, das zuvor in ihrem eigenen Zimmer überhaupt nichts Bedrohliches an sich gehabt hatte, tanzte seinen unheimlichen Schattentanz auf den dichten, schwarzen Stoffen, in die sich die Gestalten gehüllt hatten, und ließ dieses unerwartete Szenario wie einen Albtraum wirken.
Eine der schwarzen Gestalten riss Magarete die Lampe aus der Hand und eine andere griff sie hart an die rechte Schulter und den Arm, zog sie mit einem schmerzhaften Ruck herunter, auf die Knie. Magarete stieß einen erschreckten Schrei aus, doch der Mann ließ ihren Arm nicht los. Er kniete neben sie und plötzlich fühlte Magarete kaltes Metall an ihrer Kehle. Sie wagte nicht mehr, den Kopf zu bewegen, sondern starrte mit vor Angst geweiteten Augen auf den Fußboden vor sich. Sie fühlte diesen eiskalten, schmalen Streife auf der Haut und ihr war schlagartig klar: Würde der Mann den Druck auf das Messer nur etwas erhöhen, dann wäre die Schlagader schnell durchtrennt.
Sie sah die Säume schwarzer Gewänder um sich herum, und dann hörte sie das Wimmern des kleinen Jungen, irgendwo über ihr.
„Neugierige Alte!“ schimpfte jemand in einem gehässigen Ton und knallte die Tür hinter ihr zu. „Das war wirklich dumm von dir, nachts durch die Gegend zu schleichen.“
Magarete entfuhr in Todesangst ein weinerlicher Ton, den sie nicht kontrollieren konnte.
„Sie stört unsere Versammlung nicht“, sagte ein anderer, mit einer viel ruhigeren, tiefen Stimme. „Vielleicht kann sie sogar ihren eigenen Beitrag leisten.“
Magarete fiel es fürchterlich schwer, zu sprechen, aber sie brachte dennoch ein leises Jammern hervor. „Bitte... lassen Sie mich.“
Jemand trat direkt vor sie hin, und die warme Stimme von vorhin sprach. „Du kannst deine Bitte an denjenigen richten, der ab jetzt für dein Schicksal verantwortlich ist. Heb deinen Kopf hoch.“
Zögerlich tat Magarete, was man ihr gesagt hatte und hob den Blick vorsichtig an. Das kalte Messer, das für keine Sekunde von ihrer Kehle wich, beherrschte ihre Gedanken. Die Hand, die ihren Arm umklammert hielt, um sie am eventuellen Aufstehen zu hindern, war völlig überflüssig. Sie hätte es niemals gewagt, in dieser Situation auch nur eine unbedachte Bewegung zu machen.
Aus der Froschperspektive sah sie eine der schwarzen Gestalten vor sich. Der Mann schien ihr in ihrer Angst doppelt so groß, als er in Wirklichkeit sein konnte. In jedem Fall hatte er eine beachtliche
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