Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
Unentschieden, als ein Sieg für mich. Mein Glück war, dass sie den Jungen nicht an den Füßen gefesselt hatten und dass er meiner Aufforderung, wegzulaufen gefolgt ist. Am Ende bin ich selbst weggelaufen vor meinen angeschlagenen, aber zähen Gegnern. Ich habe in letzter Sekunde mein Pferd erreicht, und sie im Wald abgehängt. Und das war bestimmt keine Heldentat.
Den Jungen habe ich erstaunlich weit weg von dem Schauplatz des Kampfes gefunden, bewusstlos zu Füßen einer Eiche liegend. Ich habe ihn von dem Knebel befreit, den sie ihm in den Mund gestopft hatten, und die Fesseln seiner Hände gelöst.
Mein Beschluss, dass er mit seiner gesamten Familie nicht nur das Dorf, sondern das Land verlassen musste, stand zu diesem Zeitpunkt fest. Ich hoffe, dass ich dadurch, indem ich Heinz das nötige Geld zu Verfügung stelle, seinen langgehegten Wunsch zu erfüllen, nach Amerika auszuwandern, ein weiteres Problem löse, das mir schon seit Monaten auf dem Herzen liegt: Der Mann hat sich nach dem Tod seiner Frau so stark verändert, dass er heute kaum noch wiederzuerkennen ist. Er sieht von Tag zu Tag schlimmer aus. Schuld daran ist seine Alkoholsucht. Seine Arbeit leidet beträchtlich unter dem Schnapskonsum, aber auch seine Familie. Er redet sich immer wieder damit heraus, dass die Versorgung seiner fünf Kinder und die Arbeit nicht miteinander zu vereinbaren wären. In Wahrheit aber ist er mittlerweile dermaßen abhängig von seinem hochprozentigen Gesöff, dass er den meisten Teil des Tages Arbeit und Kinder vernachlässigt und stattdessen betrunken im Wald herumtorkelt.
Ich habe versucht, seiner Nachlässigkeit und seiner Verantwortungslosigkeit durch äußeren Druck entgegenzuwirken. Seine Uneinsichtigkeit hat mich von Woche zu Woche wütender gemacht, denn die andauernden Arbeitsausfälle hatten immer größere Auswirkungen auf die Pflege der Pferde. Und - nicht zuletzt verwahrlosten daheim seine Kinder. Ich strich ihm einen Teil des Lohns, damit kein Geld mehr in der Haushaltskasse für Alkohol übrig war. Er reagierte, indem er an Nahrung und Kleidung für die Kinder sparte.
Ich drohte damit, ihn zu feuern, um ihm die schlimmste mögliche Folge seines Handelns vor Augen zu führen. Er reagierte weiter mit Trotz. Seine alkoholischen Ausschweifungen wurden immer häufiger und damit schlimmer.
Vielleicht wird er nun, wo sich ihm ein ganz neuer Anfang mit neuen Möglichkeiten bietet, davon absehen, sich selbst zu vernichten und dabei auch seine Familie zu zerstören.
Nun muss ich mich endgültig nach einem neuen Pferdepfleger umsehen.
Ein totes Fohlen. Ein entführtes Kind. Nie haben sie sich so nah an mein Haus herangewagt.
Ich bezweifle, dass diese Aktionen das Werk der kopflosen Meute sind, die sich seit Jahren in den Wäldern herumtreibt. Dass sich das Pack in den Jahren ohne ihren Meister nicht in alle Winde verstreut hat, ist allein schon beachtlich. Wohl wird sich meine Vermutung bestätigen, dass es mehr ist, als die Erinnerung an alte, machtvolle Zeiten, die sie über die Jahre weiter verband.
------MAGARETE ------
Sie erwachte von einem lauten Geräusch. In dem Moment, als sie die Augen aufschlug, herrschte jedoch wieder Stille im Haus. Sie richtete sich auf und lauschte in die Dunkelheit hinein, doch es blieb ruhig.
Als sie sich gerade wieder hinlegen wollte, vernahm sie ganz deutlich eine Männerstimme, die laut sprach, jedoch in ihrer Intensität durch mehrere dazwischenliegende Wände gedämpft war. Eine zweite Männerstimme schaltete sich dazwischen, und der Geräuschpegel wurde durch diese merklich weiter angehoben.
Magarete wusste nicht genau, wie spät es war, aber es war ganz bestimmt schon weit nach Mitternacht. Herr Adlam hatte sich heute ungewöhnlich früh zu Bett begeben, er war sichtlich angeschlagen.
Magarete setzte sich auf ihre Bettkante und tastete mit den bloßen Füßen nach ihren Pantoffeln. Dann stand sie aus dem Bett auf und zündete die auf dem Nachttisch stehende Öllampe an. Die mit der Flamme auf- und niederhüpfenden Schatten verzerrten die Umrisse der Möbel im Zimmer und erweckten sie zu einem scheinbaren Eigenleben.
Magarete nahm ihren Morgenmantel von dem Haken an der Wand und streifte ihn über ihr langes, weißes Nachthemd. Dies war eine äußerst ungewöhnliche Situation für sie, denn bisher war sie immer informiert worden, wenn hier Gäste, Geschäftspartner von Herrn Adlam, nächtigen wollten. Sie war schließlich dafür zuständig, die Gästezimmer
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