Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
Körpergröße. Hinter den Schlitzen der Kapuze waren nur schwarze Schatten zu sehen. Dass nicht einmal die Augen des Mannes zu erkennen waren, raubte ihm das letzte Stück Menschlichkeit.
„Bitte...“, wiederholte Magarete so innig wie möglich und war nicht einmal fähig, zu einem kurzen Gebet, dass man sie am Leben lassen würde. Sie hörte den kleinen Jungen weinen, doch niemand kümmerte sich darum.
Der Mann, der sich vor sie aufgebaut hatte, trat zur Seite und machte den Blick auf jemand anderes frei, der hinter ihm stand. In der ersten Sekunde hielt Magarete diesen anderen Mann für eine weitere der schwarzen Gestalten, doch gleich darauf entdeckte sie ihren Irrtum: Dieser Mensch trug zwar eine schwarze Kapuze, wie alle anderen, jedoch fehlte das schwarze Gewand. Unterhalb der Kapuze war ein helles Hemd zu sehen und darunter eine dunkle Hose. Dieser Mann wurde von zwei der Gestalten im schwarzen Gewand flankiert, die ihn an beiden Armen hielten. Die Hände hatte er auf dem Rücken.
„Bitte deinen Arbeitgeber, dass wir dein Leben schonen. Ich glaube fest, dass er dein Flehen nicht überhören wird“, sagte der Mann, der offensichtlich der Wortführer dieser rätselhaften Versammlung war. Magarete war völlig verwirrt und wusste daraufhin gar nicht mehr, was sie nun sagen sollte. Wortlos starrte sie geradeaus. Auf die Person, die vor ihr stand, und die doch wohl unmöglich Herr Adlam sein konnte!
Jetzt erst erkannte sie, dass seine Kapuze keine Sehschlitze besaß. Ein Strick verlief um seinen Hals, fast so, als sei er ein Straftäter, den man hängen wollte.
„Magarete“, sagte der Mann, und es war die Stimme von Herrn Adlam. Sie klang durch den Stoff ein wenig hohl, aber war für sie unverkennbar.
„Herr Adlam... was...?“ begann Magarete entsetzt.
Der Wortführer der schwarzen Männer unterbrach sie in seinem ihm eigenen ruhigen, freundlich klingenden Tonfall. „Robert, du stehst mir aus früheren Zeiten im Wort und dieses Wort ist nicht zurückzunehmen. Ich bestehe also weiter darauf, dass du mir den alten Schwur wiederholst. Von dieser Forderung werde ich nicht weichen.“
Magaretes Knie begannen, in ihrer ungemütlichen Haltung inzwischen zu schmerzen, aber sie wagte es nicht, sich zu rühren. Sie hatte nur einen Wunsch: lebendig hier herauszukommen. Doch sie wurde noch immer mit der gleichen Härte zu Boden gedrückt. Und das Messer wich nicht von ihrer Schlagader.
„Du weißt, dass das Leben dieser Frau keinen Wert für mich hat“, bemerkte die warme Stimme fast wie nebenbei und der Wortführer trat wieder zwischen Magarete und Herrn Adlam, den Rücken diesmal Magarete zugewandt. „Aber vielleicht ist sie ja von Interesse für dich.“
Magarete begann, unkontrolliert zu zittern. Ihr wurde klar, dass anscheinend nun um ihr Leben gepokert wurde, was auch immer als Gewinn dabei herausspringen sollte.
„Ich will nur diese wenigen Worte von dir hören“, sprach der fremde Mann weiter und ging einen Schritt auf Herrn Adlam zu. „Dann kannst du gehen – und tun und lassen, was immer du willst.“
„Du versuchst schon wieder, mich zu belügen“, antwortete Herr Adlam mit fester Stimme, aus der keine Angst herauszuhören war.
„Ich schenke der Frau das Leben, wenn du es willst: Das ist keine Lüge“, beteuerte der andere unschuldsvoll.
„Mir ist es egal“, hörte Magarete eine grimmige Stimme direkt an ihrem Ohr. „Entweder gebe ich ihr einen Tritt in den Hintern, oder die Klinge in den Hals. Beides ist kein Problem.“
„Gesprochene Worte haben die Macht, alles zu verändern.“, sagte Herr Adlam. „Niemand verwendet die Alte Sprache zu einem Schwur und kann danach noch tun, was er will.“
Der Wortführer drehte sich zu Magarete um und fragte den Mann, der die Haushälterin festhielt: „Was wäre dir denn lieber , mein Freund? Der Tritt oder die Klinge?“
Der Mann mit dem Messer stieß ein kurzes, heiseres Lachen aus, das Magarete einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Sie schloss einen Moment lang die Augen, und versuchte, einmal tief durchzuatmen. Doch ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie schluchzte und warf einen flehentlichen Blick nach oben.
„Du entscheidest, Robert“, sagte der Wortführer. Es kam keine Antwort. „Du weißt, wie ernst es ist. Sprich mir den Schwur nach, den du mir schon längst einmal gegeben hast. Ihn noch einmal zu sprechen, verändert nichts an den bereits bestehenden Tatsachen.“
„Du fährst dir damit eine Menge Ärger ein“,
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