Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
Meine Seele war niemals weiß. Doch die Zeiten für Mord und Manipulation an Menschen schienen für mich über einen langen Zeitraum vorbei zu sein.
Bis ich heute Nacht den Schritt zurück gemacht habe.
Die Höhle im Wald muss eine alte Kultstätte sein, die schon vor vielen hundert Jahren für die Ausübung von Magie in Beschlag genommen wurde. Ich kannte sie vorher nicht, jedoch habe ich die Energie, die von ihr ausging, schon von weitem gespürt. Nach dem Ritual im Keller meines Hauses stellte es für mich kein Problem dar, diesen Ort aufzuspüren. Vor dieser Nacht hätte ich die Höhle, nur mit den mir eigenen Fähigkeiten, niemals finden können.
Der Meister selbst ist nicht in der Höhle gewesen. Mit einem solch schnellen, heftigen Schlag hat er wohl nicht gerechnet. Oder vielleicht blieb er fern, eben weil er darauf kalkulierte.
------- KATHARINA ------
Rauschend war das Fest. Der Wein floss in Strömen.
Der Hof des Rothans war festlich geschmückt, die weißen Tischdecken strahlten im Licht der Frühlingssonne und die fröhlich gestimmten Gäste ließen ihre Gläser klingen. „Ein Hoch auf die Braut!“
Katharina hob ebenfalls ihr Glas und prostete ihnen zu.
Ihr frischgebackener Ehemann tummelte sich unter den Gästen, seine roten Locken leuchteten aus der Masse der Menschen heraus, sodass Katharina ihn schon mit einem kurzen Blick wiederfinden konnte. Der Rothans war fünfzehn Jahre älter als sie, hatte jedoch noch keine einzige seiner gepflegten Locken eingebüßt. Katharina selbst war gerade mal achtzehn, vor dem Gesetz bis zum heutigen Tag ihrer Hochzeit also noch minderjährig.
Voll Vorfreude ließ sie die Augen über die langgestreckten Fachwerkgebäude um sich herum gleiten. Sie bestaunte das große, dreihundert Jahre alte Wohnhaus mit seinen geschnitzten Muschelornamenten über dem Eingangstor und die riesigen Ställe, die mehr als hundert Stück Vieh beherbergten, wenn die Tiere nicht, wie am heutigen Tag, auf der Weide standen. Um das alles würde sie sich gemeinsam mit ihrem Mann zu kümmern haben. Hier würden ihre Kinder aufwachsen. Mit einem glücklichen Lächeln schritt sie über den Hof, um sich zu den netten Gästen zu gesellen, die ihr vorhin zugeprostet hatten. Es handelte sich um den schon ziemlich angetrunkenen Bäckermeister, den Schuster und zwei Tischler, allesamt aus Rubenfels.
„Guten Abend, schöne Frau“, begrüßte sie der alte Bäcker überschwänglich weinselig, obwohl es noch lange kein Abend war. „Der Wein schmeckt köstlich!“
„Wunderbar“, antwortete Katharina ihm lachend, „dann bin ich ja zufrieden.“
Sie setzte sich auf einen freien Stuhl zu ihnen und wurde sofort von den anderen Männern mit Komplimenten überschüttet. „Eine wirklich schöne Braut bist du, Mädchen! Ich kenne dich noch als so kleines Mädel!“ sagte der Schuster und zwirbelte mit den Fingern der rechten Hand an seinem Bärtchen.
„Ja, eine schöne Braut“, stimmte einer der Tischler zu und nahm einen großen Schluck Wein.
„Ach, wenn meine eigene doch so schön gewesen wäre!“ meinte der andere und in sein schallendes Lachen stimmten die anderen drei mit ein.
„Ich freue mich, zu sehen, dass unsere Gäste so gut gelaunt sind“, antwortete Katharina ihnen. Sie trug das weiße, schlichte Hochzeitskleid ihrer Mutter, die es ihr voller Stolz übergeben hatte. Ein Kranz aus schneeweißen Stoffblumen zierte das Haupt, und in die braunen Zöpfe waren dieselben Blumen eingeflochten.
Die Frau des Bäckers, Mathilde, gesellte sich zu ihnen an den Tisch und nahm gegenüber von Katharina Platz. „Oh, die Braut persönlich an unserem Tisch“, sagte sie und ihr altes, faltiges Gesicht, das sonst so verkniffen vor sich hinblickte, brachte ein einigermaßen freundliches Lächeln zustande.
Katharina konnte Mathilde nicht gut leiden, denn die alte Frau war ein giftiges Lästermaul. In ihrem Bäckerladen verbreitete sie ständig die schlimmsten Nachrichten des Tages. Wenn jemand in Rubenfels oder Scarheim seine Ehefrau betrogen hatte, dann war sie die erste, die dies allen verkündete. Düstere Prophezeiungen für die Zukunft derjenigen Leute, die sich nicht häufig genug zur Messe in der Kirche blicken ließen, waren bei ihr an der Tagesordnung. Sie selbst war sicher die heiligste Person im ganzen Umkreis, denn ihre Hände machten sich stets selbstständig, zum sich selbst segnenden Kreuzzeichen.
„Ich wollte mal nachsehen, ob es unseren Gästen auch an nichts fehlt“,
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