Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
Ordnung?“ rief Heinz besorgt zu ihm herüber.
„Wir müssen sofort hier raus“, antwortete ihm Herr Adlam, doch seine Stimme klang dabei weniger stark, als die Worte es verhießen.
„Ja, sofort“, wiederholte Heinz, den kleinen Lukas an sich gedrückt. „Wo ist Johannes?“
Herr Adlam antwortete ihm nicht, sondern stieß sich mühsam von der Wand ab, an der er lehnte und ging mit langsamen Schritten Richtung Ausgang davon. Lukas begann zu husten, und Heinz spürte dabei den kleinen Körper in seinem Arm beben. Er wollte so gern die Fesseln seines Sohnes lösen, doch zuerst einmal musste er Johannes finden. Seine Füße tasteten sich über den mit brennenden Stoff und lodernden Körpern bedeckten Fußboden. Er selbst spürte, dass der Rauch ihm mittlerweile den Atem nahm und sein Gehirn betäubte. Suchend glitten seine Augen in der Höhle umher, und dann sah er ihn, seinen Bruder: Er lag auf dem Rücken. Ein Messer steckte in seinem Oberarm, und eines tief in seiner Brust. Auf der Blutlache um ihn herum tanzten schon die Flammen des heißen, gierigen Feuers. Heinz hätte sich nicht gewundert, wenn sogar die Felswände Feuer fingen.
„Hannes!“ rief Heinz aus, und seine Augen füllten sich mit brennenden Tränen. „Verdammt, Hannes, he, ...!“ Seine Stimme versagte und er wandte schnell den Blick von seinem toten Bruder ab. Die Kehle war wie zugeschnürt und der Magen ein einziger, harter Klumpen.
Johannes, sein kleiner Bruder... Ihr ganzes Leben hatten sie zusammen verbracht, die engsten Freunde, die besten Verbündeten gegen das Schicksal...
Er presste Lukas fester an die Brust und ignorierte dabei seine schmerzende, verbrannte Haut. Schnellen Schrittes machte er sich auf den Weg aus der Höhle hinaus, dem Grab seines Bruders, der Bühne für die grausamsten Minuten seines Lebens.
Draußen stand der Wald in Flammen.
Das Laub am Boden, die Sträucher und tiefhängenden Äste hatten Feuer gefangen.
Geduckt suchte Heinz sich einen Weg durch die lodernden Inseln hindurch und erreichte außer Atem und rußbedeckt die Pferde, die nervös tänzelnd auf sie warteten.
Herr Adlam reichte ihm ein Messer aus seiner Satteltasche und Heinz schnitt eilig Lukas’ Fesseln durch, um den Kleinen dann mit auf sein Pferd zu nehmen. Sein Chef selbst hatte einige Mühe, auf sein Pferd zu gelangen. Die ganze linke Seite seines Hemdes hatte sich inzwischen blutrot gefärbt. Er biss sichtlich die Zähne zusammen, um sich auf den Beinen zu halten. Die zweite Fuchsstute hatte er an seinem Sattel festgebunden und zog diese nun hinter sich her, als sie in bedeutend langsamerem Tempo den Rückweg antraten.
Wahrheit
Ich bin infolge der letzten Ereignisse von einer Entscheidung abgewichen, die ich ein für alle Mal gefasst zu haben glaubte: Die Grenzen sind wieder gefallen.
Ich hatte mir einst geschworen, dass sie niemals wieder fallen würden, egal, was die Konsequenzen für mich selbst oder andere wären. Dieser Schwur ist nun gebrochen.
Man öffnet die Tore zur Hölle niemals ungestraft, denn das, was daraus hervorkommt, ist nicht zu kontrollieren. Ein selbst verschuldeter Bann liegt schon seit Jahren über meinem Leben, denn ich habe mich schon einmal zu weit vorgewagt und nach Anweisung des dunklen Meisters zu den Mitteln seiner Magie gegriffen. Mein fester Wille hat mich danach zeitweilig gerettet.
Ich fühle es nun wieder viel stärker in mir, wie es an mir zehrt, spüre den festen Griff, der sich um meine Seele gelegt hat. Und mein Widerstand ist erschreckend schwach. Ich bin zu erschöpft, nachdem ich so viele Jahre lang der von mir entfesselten Macht täglich widerstanden habe.
Es hat damit angefangen, dass sie in mein Haus eingedrungen sind, das bislang immer eine Tabuzone für sie war. Um ganz sicher zu sein, habe ich mich in der letzten Nacht nicht schlafen gelegt, sondern wachte im Zimmer des Jungen. Allerdings wollte das Kind nicht schlafen, sondern jammerte nach seinem Vater und bat, nach Hause gehen zu dürfen. Und am Ende sprang der Junge plötzlich aus seinem Bett und lief auf den Flur hinaus und meinen speziellen Freunden genau in die Arme. Die schwarze Meute hat mich völlig auf dem falschen Fuß erwischt. Und dass sie die Möglichkeit hatten, mich mit diesem verdammten, einfachen Stück Stoff so völlig außer Gefecht zu setzen, war mir vorher nicht bewusst. Ich war hilflos in ihren Händen, und das schürte in mir eine ungeheure Wut. Alles, was ich ihnen in diesen Minuten hätte antun können, wenn
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