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Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Titel: Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Gees
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Wahrheit nur seine eigenen Ziele im Sinn hatte, verschwieg er mir. Ich folgte diesem in schwarzen Gewändern gehüllten, geheimnisvollen Mann, der mich mitten in der Nacht im Garten meines Hauses besuchte. Dieser Aufenthaltsort zu nächtlicher Stunde war zu jener Zeit nicht ungewöhnlich für mich. Der Schlaf ist noch nie mein Freund gewesen, meine Nächte sind bis in die heutige Zeit meist unruhig und kurz.
    Er brachte mich mit den Schwarzen Brüdern zusammen und ich war zwei Jahre lang sein mehr oder weniger
    getreuer Schüler. Am Anfang dachte ich, dass ich, wie der dunkle Meister es mir versprochen hatte, durch die Mittel, die mein neuer Lehrer für mich bereithielt, wirklich endlich zu mir selbst finden konnte. Wir trafen uns nachts in den ausgedehnten Wäldern, die Scarheim und Rubenfels umgeben. Wir hielten mystische Rituale ab, riefen höhere Wesen an, uns Gehör zu schenken und zu antworten. Ich spürte ganz tief in mir, dass dies alles keine simplen Spielereien waren. Nur was genau wir ausrichteten, das blieb mir ein Geheimnis.
    Ich war das liebste Kind des dunklen Meisters, er unterhielt sich stundenlang mit mir über seine Anschauung der Welt, und immer mehr wurde mir klar, dass ich in den meisten Punkten mit ihm übereinstimmte: Ja, es existierten Mächte, die stärker sind, als wir. Und es war möglich, mit ihnen in Kontakt zu treten und sie in unsere Welt zu holen, um dort zu wirken. Ja, die meisten Menschen waren so stark mit ihrem alltäglichen Kleinkram beschäftigt, dass sie sich niemals bewusst werden konnten, wie sehr sie Teil einer größeren, mächtigeren Ordnung waren, die sie beeinflusste und die sie selbst, mit etwas mehr Verstand, für sich nutzen konnten. Sie gingen stattdessen Tag für Tag in ihre lächerliche Dorfkirche und beteten zu ihrem noch lächerlicheren Gott, der ihnen helfen sollte, ihren kläglichen Alltag zu bewältigen.
    Als der Meister mir nach einigen Monaten Nicolas vorstellte, war unsere Vorbereitungszeit vorbei.
    „Wir drei sind von nun an das Zentrum“, erklärte der Priester uns. „Die anderen sind nur unsere Helfer. Ich habe immer gewusst, dass der Tag kommen wird, an dem ich drei starke Medien zusammenbringe. Von nun an wird endlich alles anders.“
    Und wie recht er hatte! Seit diesem Tag geriet alles außer Kontrolle.
    Die Zeremonien wurden länger, intensiver und kräftezehrender. Ich fühlte mehr denn je, dass wir tatsächlich dabei waren, dasjenige Tor aufzustoßen, an dem wir vorher die ganze Zeit über nur gerüttelt hatten. Und mein Wille, nun endlich mit eigenen Augen zu sehen, was dahinter war, wurde immer drängender. Manchmal blieb ich vor Erschöpfung auf dem Waldboden liegen, nachdem wir stundenlang im Fackellicht die Arme erhoben und in der uralten Sprache unserer längst vergessenen Vorfahren versucht hatten, in eine andere Dimension vorzudringen. Ich machte die Erfahrung, dass Geist und Körper sich vollständig trennen konnten während eines solch intensiven Rituals. Wir konnten uns von allem loslösen, was uns unten auf der Erde festhielt. und freier sein, als die Vögel. Aber auch unermesslich stark.
    Der Meister lehrte uns, im Dienste unserer Sache zu töten. Ein solcher Akt erfüllt sowohl symbolische als auch magische Funktionen. Und im Laufe eines Rituals einen Menschen zu töten, hat einen höheren Stellenwert, als das Töten eines Tieres. Ich glaube auch, bereits erwähnt zu haben, dass durch meine Hand bereits mehrere Menschen gestorben sind. Falls ich das im vorangegangenen Text noch nicht deutlich genug gemacht habe, so hole ich dies jetzt nach: Ich bin damals zu einem Mörder geworden.
    Unsere Opfer kamen nie aus der näheren Umgebung. Die unschuldigen Menschen, die wir uns aussuchten, waren meist junge Frauen und kleine Kinder. Unsere Helfer brachten sie in den Wald. Verängstigt bettelten die Hilflosen um ihr Leben, doch niemanden, auch nicht mich, berührte ihr Flehen. Für uns waren sie nichts wert, im Vergleich zur Erfüllung der Mission, der sie uns jedes Mal ein Stück näherbrachten. Es ging uns jedoch nicht wirklich um das Aufrütteln der Menschheit aus ihrer Unwissenheit dem Übersinnlichen gegenüber. Nein. Was wir erreichen wollten, war im Grunde nur die Erweiterung unserer eigenen Macht: Die mögliche Beherrschung der von uns freigesetzten Kräfte zu unseren eigenen Gunsten. Und der Weg, den wir zur Erreichung dieses Ziels eingeschlagen hatten, führte wahrlich direkt auf die Gewinnerstraße. Allerdings durch einen Strom

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