Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
Dianes Herz berührte. Denn die menschliche Wärme, die plötzlich von ihm ausging, war körperlich zu spüren. Sie lag vor allem in diesen Augen, die, wenn er es zuließ, unvermutet viel Seele offenbaren konnten. Dass Eis und Feuer so nah beieinander lagen!
Diane schenkte ihm ein tief berührtes Lächeln.
„Das war es, was ich wissen wollte“, meinte sie. Sie trat abermals näher an ihn heran, in der Absicht, ihn in ihre Arme zu schließen und aus der Nähe diese wundervollen Augen zu betrachten.
„Warum wiederholen wir sie nicht, diese eine gemeinsame Nacht?“ wollte sie mit leiser Stimme von ihm wissen.
Er ließ sich nicht berühren, sondern wehrte sie mit einer Handgeste ab.
„Du hast mich noch immer nicht verstanden, weil du nur das hörst, was du hören willst“, meinte er und jetzt klang seine Stimme ungeduldig, als rede er mit einem kleinen, dummen Mädchen. „Es gibt jemanden, Diane, der die Nachricht über unsere Affäre mit Freuden aufnehmen wird. Dieser Jemand würde alles daran setzen, dich in seine Gewalt zu bringen, und er ist nicht gerade ein liebevoller Mensch. Weiß du, von wem ich rede? Von dem Mörder des Bildhauergesellen. Das ist ein Mann, der viele Leben auf dem Gewissen hat.“
Sie stand wie versteinert, ihr Lächeln war in ihrem Gesicht gefroren. Was um alles in der Welt hatte Robert Adlam mit dem Mörder zu tun?
„Ich... ich kann dich nicht mehr einfach so verlassen“, erklärte sie ihm mit stockender Stimme. „Dafür ist es ganz einfach zu spät.“ Sie hielt inne, dachte kurz nach. Wenn es wirklich nur dieser rätselhafte Mörder war, der zwischen ihnen stand, und Robert kannte diesen Mann zu allem Überdruss auch noch, warum konnte man dieses Hindernis dann nicht aus dem Weg schaffen?
„Wenn du der Polizei bei ihrer Arbeit hilfst“, schlug sie vorsichtig vor, „dann wird man den Mann doch sicher bald verhaften können? Das kann doch alles kein unüberwindbares Hindernis für uns sein. Wenn der Mörder verhaftet ist, dann haben wir die Chance, uns näher zu kommen, du und ich. Das ist es, was ich mir wünsche.“
Er trat einen Schritt von ihr zurück, bückte sich und hob das weiße Tuch wieder vom Boden auf. Es war aus kostbarem, schwerem Leinen gefertigt und eigentlich nicht die Art von Stoff, die man in einer abgeschlossenen Kammer verstauben ließ. Robert deckte den Schreibtisch wieder ab. Als sich das weiße Leinen auf die beiden Kindergemälde herabsenkte, kam es Diane vor, als handele es sich um ein Leichentuch.
„William wünschte sich, einmal seine Heimat zu sehen“, meinte Robert, von ihr abgewandt, in bedrücktem Tonfall. „Aber manche Wünsche werden niemals erfüllt. Entweder man verliert sein Leben bei dem Versuch, glücklich zu werden, oder man lernt, den unerfüllten Wunsch zu akzeptieren.“
„Du hast eine wirklich fatalistische Lebenseinstellung“, warf sie ihm vor. „Ich habe gelernt, dass man an jedes Problem mit einer möglichst positiven Einstellung herangehen muss, um das Bestmögliche zu erreichen. Wer von vornherein verzweifelt, der kann gar nicht gewinnen!“
Er ging zum geöffneten Fenster und blickte hinaus. Feine, silberne Regentropfen funkelten im kalten, weißen Licht. Der Wind wehte sie zum Fenster hinein und bald bedeckte ein silbernes Netz aus kleinsten Wassertröpfchen seine Haare und Schultern. Ein unwirkliches Bild.
„ Jedes Problem?“ klang seine Stimme zu ihr herüber. „Du hast zu mir über das Schicksal geredet. Und darüber, dass du an die Vorbestimmung des Lebens glaubst. Ist es uns unter den Umständen überhaupt noch gegeben, irgendein Problem zu lösen?“
„Womöglich ist es dein Schicksal, dieses Problem zu überwinden “, entgegnete ihm Diane.
Er gab ein leises, alles andere als heiteres Lachen von sich.
„Dann wäre es gar nicht nötig, dass ich über haupt irgendetwas tue: Das Schicksal wird es schon richten.“
„Du machst dich über mich lustig“, stellte Diane betrübt fest.
Robert drehte sich wieder zu ihr um. „Diane, ich bitte dich...“, begann er, doch sie ließ ihn nicht zu Ende reden.
„Ich weiß. Du willst, dass ich gehe. Aber ich bleibe hier, auf meine eigene Verantwortung“, sagte sie. Zur Untermauerung ihrer Worte ging sie zurück zur Zimmertür und schob diese zu. „Hier sind wir ganz ungestört. Niemand weiß, dass ich bei dir bin. Mit Ausnahme des Hausmädchens, vielleicht. Zu Hause habe ich mich fortgeschlichen. Mein Pferd steht auch nicht vor der Tür, das Mädchen hat es
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