Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
gehst.“
Sehr unsensible Worte. Worte, die wehtun sollten.
Diane stand nun ihrerseits aus ihrem Sessel auf. Sein Giftpfeil hatte sie getroffen, doch war sie nicht hierhergekommen, um sang- und klanglos aufzugeben. Seine Sturheit schmerzte sie, doch hinter dieser harten Fassade musste irgendwo die Wärme versteckt sein, die sie noch vor zwei Tagen so deutlich gespürt hatte. Sie ging langsam auf ihn zu.
„Ich möchte dir nicht auf die Nerven gehen“, meinte sie leise, doch mit erhobenem Kopf. „Wenn du mir nur den wahren Grund für deine plötzliche
Ablehnung sagen würdest. Vielleicht würde ich deine Argumente verstehen und könnte dich schließlich in Ruhe lassen. Wenn du das wirklich für am besten hältst.“
Sie blieb erst stehen, als sie nur noch wenige Zentimeter von Robert entfernt war. Er verharrte auf seinem Platz und bewegte sich nicht. Aus dieser geringen Entfernung sah sie in seine Augen und spürte dabei seinen leichten Atem auf dem Gesicht. Es kostete sie mehr Mühe, als sie angenommen hätte, ihn über einen Zeitraum hinweg, der sich ewig hinzustrecken schien, ebenso zu fixieren, wie er es gerne mit anderen Menschen tat. Sie wollte in seinen Augen forschen. Nach Gefühlen. Nach der Wahrheit. Aber das einzige, was sie dort erkennen konnte, war ein bodenloses, schwarzes Loch. Ihr war, als fiele sie in eine unendliche Tiefe. Gleichzeitig begann ihr Herz so wild zu schlagen, als sei sie eine der albernen Gänse der Lindheimer Adelsgesellschaft, die von dem Landesfürsten persönlich zum Tanzen aufgefordert worden war. Ohne Zweifel hatte sie sich in diesen furchtbaren Starrkopf verliebt. Und vielleicht gerade aus dem Grund, weil er ein Starrkopf war.
„Diane“, sagte er mit gesenkter Stimme, sodass es fast ein Flüstern war. „In Rubenfels ist ein Mann ermordet worden. Das heißt, jemand hat ihm brutal sein Leben genommen. Er ist tot. Und du wirst es auch sehr bald sein, wenn du nicht meinem Rat folgst und Scarheim ein für alle Mal verlässt.“
Sie erschrak über diese so ernsthaft gesprochenen Worte und trat unweigerlich einen Schritt von ihm zurück. „Was hast du mit diesem Mord zu tun, dass ich durch dich in Gefahr gerate?“ fragte sie ihn und konnte das Zittern in der Stimme dabei nicht unter Kontrolle bringen.
„Zu viel, um für deine Sicherheit garantieren zu können. Und zu wenig, um einen weiteren Mord zu verhindern“, antwortete Robert ihr.
Diane seufzte und sah ihn flehentlich an. „Würdest du bitte ein einziges Mal nicht in Rätseln zu mir sprechen? Ich möchte doch nur, dass du mir endlich die Wahrheit sagst! Wenn du mir schon nicht anvertrauen willst, wovor du eigentlich Angst hast, dann sag mir zumindest die Wahrheit über deine Gefühle für mich!“
Doch er beantwortete ihre Frage nicht, sondern wandte sich von ihr ab.
„Ich möchte, dass du jetzt gehst“, forderte er sie auf und ging zur Tür, die er sogleich öffnete.
„Verstehe doch endlich, dass ich das nicht kann“, bat sie ihn. „Ich habe dir von meinen Gefühlen erzählt, das war kein leeres Gerede! Ich glaube daran, dass meine Gefühle nicht willkürlich sind, sondern dass sie mir den Weg weisen wollen.“
Robert drehte sich wieder zu ihr um. Diane schaute ihn aus großen Augen an, flehentlich.
„Du willst also wirklich die Wahrheit wissen?“ fragte er sie, in der offenen Tür stehend.
Sie nickte entschlossen. „Ja. Ich muss die Wahrheit wissen, damit ich mir über meinen eigenen Weg klar werden kann. Es ist mir sehr wichtig. “
„Dann komm mit mir“, forderte er sie auf und verließ den Raum.
Diane zögerte einen Moment lang und sah ihm nach, wie er mit schnellen Schritten über den großen Flur ging. Sie war innerlich ganz angespannt, ihr Herzschlag war wie ein schneller Trommelrhythmus, der den Takt der wild durcheinander purzelnden Gedanken angab. Es schien so, als habe er nun plötzlich den Gedanken aufgegeben, er könne sie so einfach aus seinem Haus und seinem Kopf verbannen. Aber was hatte er stattdessen vor? Wollte er jetzt sich ihr endlich anvertrauen?
Aus der obersten Schublade eines niedrigen Schränkchens im Flur holte Robert ein Schlüsselbund hervor. Diane riss sich aus ihrer Starre los und eilte zu ihm. Er ging zu einer der vielen hohen Türen, um diese aufzuschließen. Etwas zögerlich machte er einen ersten Schritt in das dahinter liegende Zimmer. Diane kam ihm nach. Sie sah sich in dem Raum um, der aufgrund der geschlossenen Fensterläden im Halbdunkel lag. Sie erkannte
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