Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Titel: Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Gees
Vom Netzwerk:
nur viele weiße Tücher, die die von ihnen bedeckten Gegenstände nur schemenhaft abzeichneten, sodass es schwer fiel, zu erraten, welches Möbelstück das einzelne Tuch verbarg. Die Luft in diesem Zimmer war abgestanden.
    Robert ging zwischen all den sorgsam abgedeckten Möbeln hindurch zum Fenster. Er öffnete die Riegel und stieß Fenster und Läden auf. Mattes, trübes Regenwetterlicht fiel herein. Ein kühler Luftzug brachte Sauerstoff herein, konnte aber den Muff der Jahre nicht vertreiben.
    Robert nahm eines der weißen Tücher in die Hand, hob es hoch und ließ es auf den Boden zu seinen Füßen fallen. Darunter verbarg sich ein alter Schreibtisch, der völlig anders war, als sein Gegenstück oben im Büro. Dieser Schreibtisch besaß noch den Charme des vergangenen Jahrhunderts. Mit seinen verspielten Schnitzornamenten, die an die organischen Formen der Pflanzenwelt erinnerten und doch keine Pflanzen waren, und den liebevoll gearbeiteten Beschlägen erinnerte er Diane sehr an ihr eigenes Zuhause. Dort gab es zig solcher Möbel: Von Großvater und Urgroßvater ererbte kostbare Stücke des Barock und Rokoko.
    Robert hob die Schreibtischplatte an, darunter kam ein Ablagefach zum Vorschein. Die Platte wurde mit Hilfe von hölzernen Abstandhaltern in der Schwebe gehalten. Robert griff in das Ablagefach hinein und zog zwei kleine, gerahmte Bilder heraus. Dann schloss er den Schreibtisch wieder und legte die beiden Bilder auf die obere Platte.
    Diane sah sich an, was er ihr zeigen wollte. Es handelte sich um zwei mit feinsten Pinselstrichen und hauchdünnen Lasuren gearbeitete Gemälde. Ein beinah lebendig erscheinendes Augenpaar schaute ihr aus dem einen Bild entgegen: ein blonder Junge von vielleicht zwölf Jahren, mit edlen, schmalen Gesichtszügen und einem ernsten Blick.
    Das zweite Bild zeigte zwei weitere Kinder, beides etwa sieben- bis achtjährige Mädchen, die dem Jungen sehr ähnelten. Ihre Augen hatten die gleiche hellblaue Farbe, und auch die Gesichter waren schmal und blass. Die Wangen trugen nur einen Hauch Farbe. Alle drei Kinder trugen edle Kleidung aus kostbaren Stoffen, die der Maler sehr lebensnah dargestellt hatte.
    „Wer ist das?“ fragte Diane, während sie die beiden Bilder eingehend betrachtete.
    „William, Alicia und Eleonore“, sagte er und sprach die Namen englisch aus, wie seinen eigenen. „Kinder von Terence und Abigail Adlam. Meine Geschwister.“
    Sie schüttelte ungläubig den Kopf. „Das kann doch nicht sein. Da ist ein Unterschied wie Tag und Nacht zwischen euch. Sie könnten eher meiner Familie angehören, als deiner.“
    Robert ging auf ihre zweifelnden Worte nicht ein. Er schwieg eine Weile, den Blick gesenkt, die beiden Bilder betrachtend. Dann sagte er schließlich, ohne aufzusehen. „Sie sind tot.“
    „Ich weiß“, erwiderte Diane ihm. „Ich habe davon gehört, dass sie vor vielen Jahren bei einem Schiffsunglück ums Leben gekommen sind. Zusammen mit deinen Eltern.“
    Er löste den Blick von den Bildern und sah sie wieder an. Diane bemerkte sehr deutlich, dass sein Gesichtsausdruck weicher geworden war. Auch die Augen waren plötzlich nicht mehr so leer und kalt wie noch vorhin. Ein Stück Wärme lag jetzt in ihnen. Und deutliche Traurigkeit.
    „Sie waren auf ihrem Weg in das Land, das sie ihre Heimat nannten“, erklärte er ihr. Seine Stimme klang sehr viel wärmer, sogar vertraulich. „Es war ihr dringender Wunsch, Großbritannien zu besuchen. Sie haben sich sehr auf diese Reise gefreut.“
    Er machte eine Pause, überlegte, ließ sie dabei aber nicht aus den Augen.
    „Ich habe meinen Bruder gewarnt, dass das Schiff sinken würde“, fuhr er fort. „Ein einziges Mal. Er wollte es nicht glauben. Ich habe seinem Willen nachgegeben, darum ist er jetzt tot. Und alle anderen mit ihm.“
    Diane fragte sich, ob sie ihn richtig verstand. Wollte er ihr andeuten, er habe damals die Zukunft vorhergesehen? „Robert, ich glaube nicht...“, begann sie, hielt dann aber inne. Sie war verunsichert, fand keine Worte.
    „Ich weiß“, sagte er, ohne dass sie zu Ende gesprochen hatte. „Du bist, genau wie damals William, der Meinung, dass ich nicht die Wahrheit sage. Allerdings habe ich dich bereits mehrmals gewarnt und ich tue es jetzt wieder: Geh zurück nach Lindheim und komm nie wieder hierher . Weil hier bei mir dein Leben in Gefahr ist. Und deine Unversehrtheit liegt mir mehr am Herzen, als du es dir vorstellen kannst.“
    In seinem Gesicht lag ein Ausdruck, der

Weitere Kostenlose Bücher