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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Wohnzimmerwand lehnte. Er wusste nicht mehr, wie er dorthin gekommen war oder wie viel Zeit vergangen war. Die Milchflasche stand neben ihm auf dem Boden, inzwischen warm.
    Sein Brustkorb schmerzte von dem krampfhaften Schluchzen, das endlich zu einem Schluckauf verebbt war. Seine Augen fühlten sich wie wundgescheuert an, sein Gesicht war gerötet, die Lippen rissig. Aber nicht einmal der Weinkrampf hatte den geballten Zorn in seinem Innern auflösen können. Er wollte etwas tun, irgendetwas, um den bohrenden Schmerz zu lindern.
    Als es an der Tür klingelte, schnellte er hoch, hektisch atmend. War es Nadine? War sie gekommen, um zu sagen, dass es ihr leidtat?
    Sie sollte nicht sehen, dass er im Dunkeln gesessen hatte. Rasch schaltete er eine Lampe ein und ging langsam zur Tür. Sein Herz pochte, als er sie öffnete.
    Aber es war nicht Nadine, die dort stand und wartete. Andy starrte Shaun und Joe an. »Was macht ihr denn hier?«
    »Es ist Freitagabend«, sagte Shaun. »Du gehst nie aus. Wir dachten, du bist vielleicht einsam. Und wir haben dir ein Geschenk mitgebracht.«
    Etwas klirrte in der Papiertüte, die Joe in den Armen hielt.
    »Verschwindet.« Andy wollte die Tür zuschlagen, doch Shaun legte die Hand darauf.
    »He, Mann, nun sei doch nicht so. Es tut uns leid, was neulich in der Stadt passiert ist. Wir sind gekommen, um es wiedergutzumachen. Lass uns rein.«
    »Und außerdem«, warf Joe ein, »wissen wir, dass du nichts Besseres zu tun hast.«
    Nein, dachte Andy. Das stimmte.
    Die Stufen vor dem Nachbarhaus waren verwaist. Nichts war so, wie er geglaubt hatte. Niemand war, was er zu sein schien. Und er hatte rein gar nichts zu tun.
    Er öffnete die Tür.

17
    Was mir wirklich auffiel, als ich nach Berichten über das Feuer und alten Aufnahmen suchte, war die Erkenntnis, wie sehr es als ein Spektakel gesehen wurde und immer noch wird, vergleichbar mit all den früheren Darbietungen des Palasts.
    www.sarahjyoung.com
    Shaun Francis’ Kanzlei war eine ehrwürdige Institution im historischen Gebäudekomplex des Middle Temple – was bedeutete, dass die Büroräume alt und beengt waren, randvoll mit allerhand Krempel und sehr gehetzt wirkendem Personal.
    Der Kanzleisekretär beantwortete Melodys Fragen durchaus höflich, wie auch die Anwälte, mit denen er sie bekannt machte, doch das Erste, was sie alle wissen wollten, nachdem sie in aller Form ihrer Bestürzung über Shaun Francis’ Tod Ausdruck verliehen hatten, war, wann Amanda wiederkommen würde.
    Ihr Eindruck war, dass Amanda Francis der Kitt war, der die Kanzlei zusammenhielt, und dass ihr Bruder bestenfalls das fünfte Rad am Wagen gewesen war.
    Als sie ins Büro des Kanzleileiters gebeten wurde, bestätigte er bald ihre Vermutung.
    »Spencer ist mein Name, Edmund Spencer – wie der Dichter«, sagte er, während er aufstand, um ihr die Hand zu geben. »Allerdings mit prosaischem ›c‹.«
    Er war jenseits der sechzig, ein kleiner, kahlköpfiger Mann mit einem Bauch, der die Knöpfe seiner Nadelstreifenweste einem harten Belastungstest unterzog, und er hatte eine Stimme, von der Melody sich vorstellen konnte, dass sie je nach Bedarf den Zorn der Gerechten in den Geschworenen entflammen oder sie in sentimentalem Mitleid zerfließen lassen konnte. Sollte sie jemals vor Gericht mit ihm zu tun haben, dann hoffte sie, dass er die Anklage vertreten würde.
    »Wir sind äußerst schockiert über die Nachricht von Shauns Tod«, fuhr er fort, während er ihr einen Stuhl anbot. »Ein tragischer Verlust. So jung, so vielversprechend.« Als Melody nur fragend eine Braue hochzog, seufzte er. »Nun ja, das ist vielleicht ein wenig übertrieben. Ich denke, Sie werden feststellen, dass Shaun Francis in der Kanzlei nicht sonderlich beliebt war. Aber wir sind auf jeden Fall erschüttert und betrübt über seinen Tod.«
    »War Shaun schon lange bei Ihnen?«, fragte Melody, die hoffte, dass das Gespräch nun eine ergiebigere Richtung nehmen würde.
    »Weniger als ein Jahr. Um ehrlich zu sein, wir haben ihn auf Amandas Wunsch hin eingestellt. Sie hat vor zehn Jahren hier als juristische Hilfskraft angefangen, und sie ist für uns alle absolut unentbehrlich.«
    »Und Shaun? Waren Sie mit seinen Leistungen zufrieden?«
    Spencer tippte eine Weile mit einem silbernen Füllfederhalter auf seinen überladenen Schreibtisch, ehe er antwortete. »Seine Prozessbilanz war nicht gerade überragend, muss ich zugeben. Im Gegenteil, er hat uns sogar in einen ziemlichen Schlamassel

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