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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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etwas dran? Hat sie diesen Jungen vom Norwood College belästigt? Und war Andy …«
    »Nein, nein.« Kincaid schüttelte den Kopf. »Euer Direktor hatte recht. Laut Andy war die ganze Geschichte ein einziges Lügengespinst. Sie haben Nadine Drake nicht einfach außerhalb der Schule getroffen. Es war Andy, den sie im Park kennenlernten, und sie haben sich an ihn drangehängt. Haben ihn schikaniert, sind ihm gefolgt, haben herausgefunden, wo er wohnt. Ich kann mir denken, dass sie ihn auf eine verquere Art und Weise beneideten. Sie waren privilegiert, aber er hatte etwas, was sie auch nicht ansatzweise verstehen konnten. Eine Aura der Eigenständigkeit vielleicht.
    Andy sagte, er sei ihnen, so gut es ging, aus dem Weg gegangen, aber eines Abends war er wütend auf Nadine, weil sie getrunken hatte und sich merkwürdig benahm. Er ließ die Jungen ins Haus, und von seinem Garten fanden sie einen Weg in ihren. Es war heiß; ihre Terrassentür und ihre Fenster standen offen. Sie konnten sie sehen, und als sie ins Bad ging, forderte Shaun Francis seinen Freund Joe als Mutprobe auf, hineinzugehen und sie zu überraschen. Er tat es, sie warf den Jungen hinaus und drohte, die Polizei zu rufen. Sie hat ihn ganz bestimmt nicht angerührt. Und danach hat sie nie wieder ein Wort mit Andy gesprochen.«
    »Aber …« Melody bemühte sich, die Zusammenhänge zu verstehen. »Warum haben die Jungen in der Schule die Unwahrheit über sie erzählt?«
    »Ich vermute, dass Joe Peterson sich gedemütigt fühlte. Es fing vielleicht mit einer Bemerkung an, die er einem anderen Jungen zuflüsterte, um sein Selbstwertgefühl zu stärken. Und dann verbreitete es sich wie ein Lauffeuer.«
    »Es könnte aber auch Shaun gewesen sein«, sagte Gemma. »Mr Carstairs hat ihn als sehr nachtragend beschrieben. Vielleicht war er stellvertretend für seinen Freund beleidigt.«
    »Könnte Nadine geglaubt haben, dass Andy die Geschichte der beiden bestätigt hat?«, fragte Melody entsetzt.
    »Möglicherweise«, antwortete Kincaid. »Aber Andy wusste nur, dass sie verschwunden war, und das ist bis heute alles, was er weiß.«
    »Joes Vater hat den Prozess doch nicht gewonnen?«
    »Der Fall wurde nie geklärt«, schaltete Doug sich ein. »Die Lebensgeschichte von Nadine Drake bis zu diesem Vorfall lässt sich leicht rekonstruieren. Geboren als Nadine Summers, aufgewachsen in Hampstead, Studium in Cambridge, abgeschlossen mit Einser-Examen in Französisch. Lernte Marshall Drake kennen, der in der Werbebranche arbeitete. Sie zogen in eine Luxuswohnung in Canary Wharf, dann stürzte Marshall in ihrem Wohnhaus auf der Treppe und starb an seinen Kopfverletzungen. Die Nachbarn hatten sie kurz zuvor streiten gehört. Aber sein Blutalkoholgehalt war hoch, und sein Tod wurde offiziell als Unfall eingestuft. Offenbar hatte er jedoch einen gewaltigen Schuldenberg angehäuft. Vielleicht war das der Gegenstand ihres Streits. Sie musste die Wohnung in Canary Wharf aufgeben, nahm eine Stelle als Lehrerin am Norwood College an und zog in die Mietwohnung in Crystal Palace.
    Doch in dem Herbst, nachdem man ihr im College gekündigt hatte, verschwand sie einfach. Keine Beiträge zur Sozialversicherung, und Arbeitslosengeld hat sie auch nicht bezogen. Aber apropos Arbeitslosengeld – ich habe euren Joe Peterson ausfindig gemacht.« Doug wirkte sehr zufrieden mit sich. »Er lebt von der Stütze und wohnt in einer Sozialwohnung in Crystal Palace, in der Nähe der Church Road.«
    »Dann ist es auch kein Wunder, dass er am Freitagabend im White Stag war«, bemerkte Kincaid.
    »Was?«, riefen Melody und Gemma gleichzeitig.
    »Der Mann, den Andy geschlagen hat, das war Joe Peterson. Andy sagte, Joe sei auf ihn zugekommen und habe gefragt, ob sie nicht Freunde sein könnten. Er hatte ihn seit fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen.«
    »Kein Wunder, dass er nicht darüber reden wollte. Aber warum hat er es dir erzählt?« Melody fühlte sich gegen ihren Willen gekränkt.
    »Ich glaube, er hatte es sehr lange mit sich herumgeschleppt, zusammen mit einer gehörigen Portion Schuldgefühle. Er dachte, was damals passierte, sei alles seine Schuld gewesen. Ich kann mir vorstellen, dass es das Letzte ist, was er einer Frau erzählen würde, für die er sich interessiert.« Kincaid schenkte Melody ein flüchtiges Lächeln und fuhr dann fort: »Aber das ist noch nicht alles. Offenbar ist Nadine Drake doch nicht ganz vom Erdboden verschwunden. Andy glaubt Nadine an dem bewussten Abend im Pub

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