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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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nach oben auf dem Bett, die dünne Tagesdecke zusammengeknüllt unter seinen Füßen, die mit einem schwarzen Ledergürtel stramm gefesselt waren. Er war nackt, trug aber noch seine Socken, von denen die rechte ihm halb über den Fuß gerutscht war, als ob er sie beim Versuch, sich zu befreien, abgestreift hätte. Die baumelnde Socke machte die ganze Szenerie irgendwie noch bizarrer.
    Seine Knie waren gebeugt. Das Laken darunter war mit Kot und Urin beschmutzt. Seine Hände waren unter dem Gesäß eingeklemmt, und auf einer Seite lugte der Zipfel einer Krawatte mit dezentem rot-blauem Muster hervor.
    »Er muss mit dem Gesicht nach unten gefesselt worden sein«, bemerkte Melody. »Nicht nur die Hände. Seht mal« – sie deutete auf seine Füße –, »die Gürtelschnalle und der Knoten sind auf der Rückseite seiner Fußgelenke.«
    »Hat er sich also selbst umgedreht, oder hat jemand anders ihn umgedreht, entweder bevor er ihn erdrosselt hat oder danach?«, fragte Gemma. Die Drosselmale an seinem Hals waren deutlich zu erkennen, und bei näherem Betrachten ließen sich auch die Totenflecke im Nacken ausmachen, doch von einer Tatwaffe war nichts zu sehen.
    »Das werde ich euch wahrscheinlich sagen können«, ließ sich eine vertraute Stimme vernehmen, und als Gemma sich umdrehte, erblickte sie ihren guten Bekannten Dr. Rashid Kaleem, einen der Rechtsmediziner des Innenministeriums. Seine kurzen Haare hatten die gleiche Farbe wie die schwarze Lederjacke, die er über seinem T-Shirt trug, und sein Lächeln hätte für eine Zahnpastareklame herhalten können.
    »Rashid – ich bin froh, dass Sie es sind.« Gemma hatte Rashid bei einem Fall kennengelernt, in den sie offiziell nicht involviert gewesen war, doch sie hatte festgestellt, dass er oft zu Ermittlungen im Bezirk South London hinzugezogen wurde, und sie arbeitete gerne mit ihm. Er war jung, klug und akribisch, und er behandelte Polizisten nicht wie nervige Störfaktoren. Der einzige Nachteil war, dass die weiblichen Officers reihenweise in Ohnmacht fielen, wo immer er auftauchte.
    »Da hat sich wohl jemand so richtig ausgetobt, wie?« Rashid stellte seine Tasche vor der Zimmertür ab und zog Handschuhe an. »Wissen wir schon, wer er ist?«
    Gemma deutete auf die sorgfältig zusammengelegten Kleidungsstücke, die auf dem einzigen Stuhl im Zimmer lagen: eine Wachsjacke, eine dunkle Hose, ein marineblauer Pullover – dem Anschein nach Kaschmir – sowie ein hellblaues Oberhemd. Auf dem Hemd lag eine Herren-Brieftasche aus Leder. Gemma wandte sich zu dem Constable vor der Tür um. »Wer hat seine Brieftasche überprüft, DC …«
    »Gleason, Ma’am. Das war DC Turner. Er sagte, er hätte darauf geachtet, die Kleider möglichst unberührt zu lassen.«
    »Ein Mr Vincent Arnott, laut dem vorläufigen Bericht«, ergänzte Melody. »Offenbar pflegte er in diesem Hotel unter dem Namen Mr Smith einzuchecken.«
    Rashid zog seine dunklen Brauen hoch. »Nun ja, es wird interessant sein, zu erfahren, ob Mr Arnott-Smith immer so ordentlich war oder ob jemand anders seine Sachen für ihn aufgeräumt hat. Wurde irgendjemand in seiner Begleitung gesehen?« Rashids Akzent war lupenreines BBC -Englisch, doch Gemma wusste, dass er in einer Sozialsiedlung in Bethnal Green aufgewachsen war und dass sich hinter seiner charmanten und legeren Art ein messerscharfer Verstand verbarg.
    »Nach Aussage der Nachtmanagerin hat er allein eingecheckt«, antwortete Gemma.
    »Sehr vernünftig von ihm, wenn er die Angewohnheit hatte fremdzugehen.« Rashid deutete mit einem Nicken zum Flur. »Wenn er erst einmal sein Zimmer bezogen hatte, konnte er problemlos jemanden durch den Notausgang am Ende des Flurs hereinlassen. Die Kollegen von der Spurensicherung sind auch schon hier«, fügte er hinzu. »Sie laden nur noch ihre Ausrüstung aus dem Bus. Und sie wollen bestimmt nicht, dass irgendwer ihnen den Tatort versaut.«
    Zwischen dem Rechtsmediziner und den Kriminaltechnikern herrschte so etwas wie eine freundschaftliche Dauerfehde. Es war wichtig, dass die Spurensicherer als Erste den Tatort begehen konnten, aber Rashid verschaffte sich immer gerne einen ersten Eindruck, ehe irgendjemand sonst in die Nähe der Leiche kam, und Gemma ging es genauso. »Ich weiß nicht, ob die Servicekraft, die die Leiche entdeckt hat, oder sonst jemand von den Hotelangestellten ins Zimmer hineingegangen ist, aber das finden wir noch heraus«, sagte sie zu Rashid.
    An DC Gleason gewandt fügte sie hinzu: »Wie wär’s,

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