Wer Blut vergießt
wenn Sie die Kollegen von der Spurensicherung durch den Notausgang reinlassen? Ist ja nicht nötig, dass sie alle durch die Rezeption latschen.«
»Jawohl, Ma’am.« Der Constable schien ganz froh zu sein, ein bisschen frische Luft schnappen zu können.
Als er zum Ausgang ging, rief Gemma ihm nach: »Schauen Sie doch, ob Sie die Tür irgendwie offen halten können; es muss nur jemand davor Wache halten. Würde nicht schaden, hier mal ein bisschen zu lüften.« Leider konnten sie die Heizung nicht abstellen, bevor die Raumtemperatur gemessen worden war, da Rashid den Wert für die Berechnung des Todeszeitpunkts benötigte.
Während sie warteten, sah Gemma sich das Opfer genauer an.
»Was fällt dir auf, Chefin?«, fragte Melody.
»Das Opfer ist weiß. Und offensichtlich männlich.« Damit erntete sie ein Grinsen von Rashid und ein unterdrücktes Kichern von Shara. »An den Händen kann man das Alter normalerweise ganz gut ablesen«, fuhr sie fort, wobei Rashid zustimmend nickte, »aber da wir sie nicht wirklich sehen können, würde ich ihn aufgrund seines Allgemeinzustands und des Aussehens von Gesicht und Hals auf Ende fünfzig bis Anfang sechzig schätzen. Die Haare« – sie deutete auf den vollen weißen Haarschopf des Opfers – »können irreführend sein. Haare von diesem Typ können relativ früh weiß werden. Ich würde sagen, dass er ziemlich fit war – vielleicht ein Golfer, nach der Sonnenbräune zu schließen.« Sie wies auf die dunkle Haut am Halsansatz. »Er könnte auch Tennis gespielt haben, aber die Muskelentwicklung an Armen und Beinen spricht nicht dafür.« An Melody gewandt fügte sie hinzu: »Fällt dir sonst noch irgendetwas auf?«
Melody runzelte die Stirn und überlegte einen Moment, ehe sie antwortete. »Aus der Qualität seiner Kleider – wenn es tatsächlich seine sind –, dem gepflegten Zustand seiner Füße und dem guten Haarschnitt würde ich schließen, dass er zur oberen Mittelschicht gehört und in einem Beruf gearbeitet hat, der keine schwere körperliche Arbeit verlangte.«
Stimmen auf dem Flur kündigten die Ankunft der beiden Kriminaltechniker an, die von DC Gleason begleitet wurden. Sie arbeiteten oft mit Gemmas Team zusammen, und sie begrüßte sie mit Namen. »Hallo, Sharon. Hallo, Mike.«
»Hört sich an, als hätten Sie einen interessanten Fall für uns«, meinte Sharon, eine zierliche Frau mit dunklen Haaren und dunklen Augen, die immer aussah, als würde sie jeden Moment ganz in ihrem blauen Overall versinken.
Gemma nickte. »Könnte man sagen. Ich hätte gerne den Namen und die Adresse aus dem Führerschein in der Brieftasche, sobald ihr da rankommt. Der erste Beamte am Tatort hat ihn herausgezogen, um das Opfer zu identifizieren, aber er hat Handschuhe getragen.«
»Habt mal wieder unseren Tatort in einen Bolzplatz verwandelt, was?«, bemerkte Mike mit einem augenzwinkernden Nicken in Rashids Richtung, während er seinen Spurensicherungskoffer öffnete.
»Ich hab nichts angefasst, Kollege«, erwiderte Rashid grinsend. »Aber ich muss noch zu einem anderen Tatort. Was dagegen, wenn ich ihn mir kurz anschaue? Ihr könnt mir ja dabei auf die Finger gucken.«
»Bitte sehr. Pass schön auf, während der Onkel Doktor ihn untersucht, Sharon, ja?«, sagte Mike, während er seine Kamera herausnahm und den Tatort zu filmen begann.
Während Rashid seine Instrumente aus der Tasche nahm, zog Gemma sich auf den Flur zurück, wo Melody und Shara bereits bei DC Gleason standen. Hier war die Luft deutlich frischer, und sie sog sie erleichtert ein, während sie Rashid zusah.
Unter Sharons wachsamen Blicken ging er mit seiner eigenen Digitalkamera ums Bett herum. Die Kriminaltechniker würden zwar alles im Bild festhalten, doch Rashid konzentrierte sich auf die Details, die für ihn besonders wichtig sein könnten, wenn er die Leiche obduzierte.
Nachdem er die Kamera weggelegt hatte, fuhr er mit den behandschuhten Fingerspitzen behutsam unter dem Gesäß, den Schultern und der einen freiliegenden Ferse des Opfers hindurch. »Die Totenflecke sind voll fixiert. Wenn er nach dem Tod noch bewegt wurde, dann jedenfalls nicht lange danach. Die Leichenstarre ist auch ziemlich weit fortgeschritten. Steif wie das sprichwörtliche Brett«, fügte er hinzu, während er die Beweglichkeit der Gelenke überprüfte. »Wenn es hier drin allerdings die ganze Nacht so bullig warm war, wäre es vielleicht hilfreicher, wenn wir wüssten, wann er zuletzt gesehen wurde.«
»Die
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