Wer Blut vergießt
was sie sich hätte ausdenken können. Zu vollkommen.
Sie schlang die Arme noch fester um den Leib, kämpfte gegen das Zittern in ihren Händen an.
Wie hatte sie so etwas tun können? Wie hatte sie das tun können, nach allem, was sie durchgemacht hatte? Die Schamröte schoss ihr in die Wangen, und zugleich wurde ihr so übel, dass sie wankte und fast gestürzt wäre. Dann schleppte sie sich zum hinteren Teil des Ladens, eine Hand vor den Mund geschlagen, und hielt sich mit der anderen an der Theke fest, als wäre es die Reling eines Schiffs bei starkem Seegang, und die ganze Zeit hatte sie den Geruch dieses schrecklichen Zimmers in der Nase, seinen Geruch.
Als sie die Toilette erreicht hatte, fiel sie auf die Knie, ließ die Stirn auf das Porzellan sinken und erbrach sich, bis sie nur noch trocken würgte.
Und immer noch flüsterte eine kleine Stimme in ihrem Kopf, dass es dem Dreckskerl nur recht geschah.
7
Der Palast und das umliegende Gelände entwickelten sich zum ersten Freizeitpark der Geschichte, in dem Lehrreiches und Unterhaltendes geboten wurde. Es gab eine Achterbahn, Kricketmatches und – zwischen 1895 und 1914 – auch 20 Endspiele im englischen Fußballpokal.
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Melody sah, wie Gemma angewidert den Mund verzog, als sie mit einem behandschuhten Finger über die DVD -Sammlung fuhr. Sie zog eine heraus, runzelte die Stirn, stellte sie zurück und nahm sich eine andere vor. »Könnte schlimmer sein«, meinte sie. »Scheinen alles eher harmlose Softpornos zu sein. Keine Gewalt, nur ein bisschen Fesselungsfantasien für Männer. Wir lassen das ganze Zeug aber noch von jemandem durchsehen, um sicherzustellen, dass es wirklich nichts weiter ist.«
»Shara?«, schlug Melody vor.
»Ich dachte, du wolltest dir Mühe geben, dich mit Shara zu vertragen.« Gemma sah Melody an und grinste boshaft.
»Sie war heute im Hotel ein bisschen schwierig. Geschieht ihr nur recht. Und außerdem habe ich keine Lust, sie mir anzuschauen«, fügte Melody hinzu.
»Nein. Ich auch nicht«, gab Gemma zu. »Also bleibt es an Shara hängen.«
Melody holte noch rasch einen Beweismittelbeutel für die DVD s aus dem Kofferraum ihres Wagens, und nachdem sie noch einmal kurz mit Marie Daeley gesprochen hatten, die nach wie vor auf die Computerexperten wartete, fuhren sie zurück nach Brixton. Während sie im Haus gewesen waren, war die Nacht hereingebrochen, doch anders als am Abend zuvor war der Himmel klar, und als Melody in Richtung Norden fuhr, breitete sich vor ihnen im Tal das Lichtermeer von London aus.
»Hast du oben irgendetwas Interessantes gefunden?«, fragte sie Gemma.
»Sie hatten eindeutig getrennte Schlafzimmer. Und Marie hatte recht mit den farblich gekennzeichneten Kleidern in den Schränken. An ihre hatte er sogar kleine Zettel mit den Wochentagen geheftet.«
»Ein Teil seiner Strategie, um mit der Situation fertigzuwerden? Oder Ausdruck seines Kontrollzwangs?«
Gemma zuckte mit den Schultern. »Wenn dem so war, wieso war er dann derjenige, der sich gerne fesseln ließ?«
»Ich frage mich, wie oft er seiner Neigung gefrönt hat?«, meinte Melody nachdenklich, während sie sich in die lange Schlange von roten Rücklichtern einreihten, die sich bergab wand. »Laut Reg vom White Stag hat Arnott gerne geschiedene Frauen angequatscht, die auf ein kleines Abenteuer aus waren. Mir scheint, dass er ein großes Risiko eingegangen wäre, sich eine Abfuhr zu holen – wenn nicht sogar eine schallende Ohrfeige –, wenn er einer durchschnittlichen kleinbürgerlichen Geschiedenen so ein fesselndes Stelldichein vorgeschlagen hätte. Und er hatte ja nicht die nötigen Utensilien dabei.«
»Vielleicht hat er sich eine Professionelle gegönnt und eine unangenehme Überraschung erlebt.«
Melody trommelte mit einem Finger auf das Lenkrad und schüttelte den Kopf. »In der Stadt hätte er sicher ohne Weiteres ein Callgirl finden können, das seine Vorlieben bediente. Aber im White Stag? Ich halte es für unwahrscheinlich, dass man dort auf Prostituierte gleich welcher Couleur trifft. Und warum sollte eine Prostituierte ihn fesseln und dann erdrosseln?«
»Stimmt, das wäre nicht im Sinne der Kundenbindung«, bemerkte Gemma, ohne eine Miene zu verziehen. Dann fügte sie hinzu: »Wir sollten die Spurensicherung morgen auf seinen Wagen ansetzen. Vielleicht hat er da drin etwas Zweckmäßigeres als Gürtel und Krawatten aufbewahrt. Kann ja sein, dass sich gestern Abend keine Gelegenheit ergab, die Sachen aus dem
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