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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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einer Prüfung durchgefallen wäre. »Es kommt mir bekannt vor, aber …«
    »Es heißt ›Angie‹. Bert Janschs Hymne, wenn Sie so wollen. Jeder Gitarrist, der etwas taugt, hat das drauf.«
    »Und wie alt waren Sie, als Sie es gelernt haben?«
    »Das ist so lange her, dass ich mich nicht mehr erinnern kann.« Achselzuckend stellte er die Gitarre auf den Ständer zurück, doch sie spürte, dass er sich ohne das Instrument als Schutzschild unbehaglicher fühlte. Er hob seinen Becher, schnupperte kritisch an seinem Tee und nahm dann einen kleinen Schluck. »Okay, die Milch ist noch gut. War schon länger nicht mehr einkaufen«, erklärte er.
    »Haben Sie heute wieder in Crystal Palace aufgenommen?«, fragte sie.
    »Ja. Heute waren wir auch im eigentlichen Studio. Gestern, das war erst mal der Proberaum. Es war …« Mit einem Kopfschütteln stellte er seinen Tee wieder hin, dann stand er auf, ging zur Wohnungstür und bückte sich nach dem Gitarrenkoffer, der dort stand und den sie bisher nicht bemerkt hatte. Er nahm die rote E-Gitarre heraus, auf der er am Tag zuvor gespielt hatte, und ging damit zurück zum Futon, wo er das Instrument auf den Schoß nahm und seine Hände in die Aussparung des Korpus legte.
    Wieder nahm Melody eine mühsam gebändigte Energie wahr, die unter der Oberfläche seines lässigen Gebarens brodelte. Sie beugte sich vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt. »Also, ich bin ja nicht sehr musikalisch, aber als ich Sie gestern gehört habe, mit diesem Mädchen …«
    »Poppy.«
    »Genau. Mit Poppy. Sie beide – das war etwas … ganz Besonderes.«
    Andy hob den Kopf und sah sie durchdringend an. »Sie fanden das auch? Ich habe schon mit vielen Leuten gespielt, aber so etwas, das hat es noch nicht gegeben. Ich will nicht – Ich will das nicht überbewerten. Ich habe schon zu oft erlebt, wie meine schönen kleinen Sandburgen weggespült wurden.«
    »Aber wenn Sie schon mit Poppy gespielt haben …«
    »Das ist es ja gerade. Ich habe sie gestern zum ersten Mal gesehen. Es war … so etwas wie ein musikalisches Blind Date. Unsere Manager haben uns zusammengebracht.«
    »Sie haben so gespielt und gesungen, und es war das allererste Mal?« Melody starrte ihn an. »Wow.«
    »Tja. Und deswegen …« Er fuhr in einer ungeduldigen Geste mit den Fingern über die Gitarrensaiten. Der Bluterguss auf seinen Knöcheln war dunkler geworden, und Melody fiel auf, dass er keine Armbanduhr trug. »Ich weiß nicht, warum ich Ihnen das erzähle«, fuhr Andy fort und sah Melody nicht in die Augen, während er mit der linken Hand lautlos eine Akkordfolge griff. »Es ist nur – Meine Kumpels … Mit denen kann ich nicht reden.«
    »Nick und George? Spielen Sie schon lange zusammen?«
    »Zehn Jahre, mit ein paar Unterbrechungen.«
    Melody dachte kurz nach und beschloss, nicht zu erwähnen, dass sie den ganzen Tag versucht hatte, Nick oder George zu erreichen. Oder dass sie das Überwachungsvideo gesehen hatte. »Sie sind also eng befreundet.«
    Andy nickte. »Die zwei waren immer … wie eine Familie für mich, denke ich mal. Nachdem ich sonst niemanden mehr hatte.«
    »Aber nach dem Gig am Freitagabend haben Sie sich gestritten. Bevor Tam Sie mitgenommen hat.«
    Er starrte sie an. »Woher …«
    »Wir haben mit Leuten gesprochen. Wir haben versucht, jemanden zu finden, der gesehen hat, wie Vincent Arnott das Pub verließ. Also, wieso haben Sie sich mit Ihren besten Freunden gestritten?«
    Er zuckte wieder mit den Achseln. »Das hat sich schon lange angebahnt. Man könnte wohl sagen, dass Poppy nur der Auslöser war. Mit der Band ist es aus. Sie wussten es – wir alle wussten es –, aber sie sind trotzdem sauer auf mich.« Er seufzte. »Ich kann ihnen keinen Vorwurf machen.«
    »Es ist also Ihre Entscheidung?«
    »Es – Es ist einfach so, dass ich besser bin als sie. Ich will ja nicht überheblich klingen. Nick und George sind fähige Musiker, aber die Band ist für sie nur ein Hobby. Etwas, womit man sich die Zeit vertreibt, bis der Ernst des Lebens anfängt.«
    »Oder die Eltern einen rausschmeißen«, entgegnete Melody. Auf seinen verblüfften Blick hin fügte sie hinzu: »Tam hat mir die Privatadressen der beiden gegeben. Der Grundbesitz ist nicht auf sie eingetragen. Und wie können Sie das eigentlich alles stemmen?« Sie wies mit einer vagen Geste auf die Umgebung. »Die Wohnung. Das Equipment.«
    »Ich mache Sessionarbeit, seit ich sechzehn bin. Das ist mein Leben, die Musik. Und wenn Sie die Gitarren

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