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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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schüttelte den Kopf, die Augen voller Tränen. »Wie albern von mir. Das spielt doch jetzt alles keine Rolle mehr, oder? Was ich gesagt habe, oder ob er auf mich gehört hat oder nicht. Habe ich – Habe ich das wirklich gesehen, oder habe ich mir das nur eingebildet? Hat tatsächlich jemand ihm das … diese Dinge angetan?«
    Gemma blickte sich zum Haus um. Sie sah Rashid herauskommen und mit Maura Bell sprechen. Sie brauchten jetzt erst einmal Amandas Fingerabdrücke, und dann mussten sie die Frau vom Tatort wegbringen.
    »Amanda, sind Sie mit dem Auto oder mit der U-Bahn gekommen?«
    »Oh, mit der U-Bahn. Ich habe gar kein Auto. Ich fahre jeden Tag von Dulwich mit dem Zug in die City.«
    »Von Dulwich?«, wiederholte Gemma, bei der sogleich die Alarmglocken läuteten. Das war auf dem Weg nach Crystal Palace. Und gab es da nicht noch jemanden, der in Dulwich wohnte?
    »Eine Wohnung in der Stadt wie Shaun kann ich mir nicht leisten.« Selbst jetzt gelang es Amanda Francis nicht, die Verbitterung aus ihrer Stimme herauszuhalten. »Ich wohne immer noch bei meiner Mutter in – O Gott.« Sie schlug sich eine Hand vor den Mund und stieß schluchzend hervor: »Wie soll ich nur meiner Mutter beibringen, dass Shaun tot ist?«

13
    Pech und finanzielle Krisen verfolgten den Crystal Palace wie ein Fluch. 1861 wurde er durch heftige Stürme beschädigt, und am 30. Dezember 1866 brach ein Feuer aus, dem das Nordende des Gebäudes mit vielen naturwissenschaftlichen Exponaten zum Opfer fiel.
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    Er gab es auf, zum Üben in den Park zu gehen. Jetzt, da die Jungen wussten, wo er wohnte, tauchten sie überall auf und begleiteten ihn wie Schatten.
    Die typischen Schulhoftyrannen, sagte er sich. Er kannte genug von ihrer Sorte aus seiner eigenen Schule, und er hatte gelernt, dass man am besten mit ihnen fertigwurde, wenn man einfach so tat, als wären sie unsichtbar. Aber es hatte ihm die Freude am Gitarrespielen auf den Stufen bei der Sphinx verdorben, und auf eine Weise, die er selbst nicht recht verstand, empfand er ihre Gegenwart als bedrohlich.
    Was wollten sie von ihm? Sie hatten Geld und tolle Sachen, konnten gehen, wohin sie wollten – warum interessierten sie sich ausgerechnet für einen Jungen aus der Arbeiterschicht von Crystal Palace?
    Er hatte ihnen nie seinen Namen gesagt, doch eines Tages begleitete er seine Mutter zu Beginn ihrer Schicht zum Pub, wo sie ihn auf einmal unerwartet zärtlich umarmte. Als er sich umdrehte, sah er, dass die beiden vor dem Laden nebenan standen und ihn beobachteten.
    »Deine Mutter ist ’ne richtige Schlampe, was, Andy?«, sagte Shaun, und Joe kicherte. »Hast uns ja gar nicht erzählt, dass sie in so ’nem Dreckloch von Kneipe arbeitet.«
    Da platzte Andy der Kragen. Ohne Vorwarnung stürzte er sich auf sie und packte Shaun am Kragen seines T-Shirts. »Lasst mich gefälligst in Frieden, verdammt noch mal! Und lasst verdammt noch mal meine Mum in Frieden!«
    »Oh, schau an, fluchen kann er auch«, höhnte Joe, seine Stimme schrill vor Erregung. »Was willst du denn dagegen machen? Bei deiner Mum petzen? Was soll die denn schon groß tun?«
    Andy hatte Shauns T-Shirt losgelassen, als er sich Joe zugewandt hatte, und jetzt hielten die Jungen sich vor Lachen die Bäuche.
    »Ihr …«
    »Oder du könntest uns mit deiner Gitarre schlagen«, sagte Shaun. »Wenn sie nicht schon vorher kaputtgeht.«
    »Oh, das wäre aber jammerschade«, gluckste Joe. »Ich wette, du könntest dir keine neue leisten.«
    Andy atmete so schwer, dass ihm fast schwarz vor Augen wurde. »Wehe, ihr wagt es …«
    Shaun trat noch einen Schritt vor, grinste anzüglich, provozierte ihn. »Oder vielleicht könntest du ja deine Nachbarin fragen, ob sie dich beschützt. Die ist ja wirklich oberscharf.«
    »Ihr Schweine.« Andy schlug nach Shaun, doch der war einen halben Kopf größer und mehrere Kilo schwerer als er, und der Schlag verpuffte wirkungslos. »Lasst sie bloß in …«
    Die Ladentür ging auf, und der Besitzer, ein Pakistani, kam heraus. »Was ist denn hier los? Ihr wollt mir wohl die Kundschaft vertreiben, ihr Nichtsnutze, wie?« Er packte Shaun und Joe, die am nächsten standen, am Kragen. »Und du, Andy Monahan, du solltest dich was schämen. Geht jetzt, alle miteinander, oder ich rufe die Polizei.« Er versetzte Shaun und Joe einen Stoß und ließ von ihnen ab. Sie stolperten ein paar Schritte, dann drehten sie sich um und zeigten Andy und dem Ladeninhaber den Mittelfinger, ehe sie

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