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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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haben die Inserenten Schiss gekriegt. Sie müssen bedenken, wir sind hier nicht in Paris … Hier sind die Leute entschieden spießiger.«
    Julia hörte nur halb hin. Sie sah sich Lucie an. Übertrieben stark geschminkt, laszive Pose, treuherziger Blick. Diese Pantomime wirkte auf sie wie eine Art Déjà-vu. Es ging ihr ähnlich wie bei Jennifer, der Stiefmutter, die das Mädchen hasste, weil sie ihm den Vater abspenstig gemacht hatte.
    »Wer hat diese Aufnahmen fotografiert?«
    »Lorenzo. Wir arbeiten ziemlich viel mit ihm zusammen. Übrigens hätte Lucie sich letztes Wochenende mit ihm treffen sollen.«
    »Für ein Shooting?«
    »Montag hatten wir ein großes Casting-Event. Sie wollte unbedingt daran teilnehmen. Mit ihrem alten Book hätte sie da nicht viel ausrichten können.«
    »Und aus dem Grund haben Sie sie um ein neues gebeten?«
    »Es war vielleicht ein bisschen wenig Zeit. Man hatte uns Samstagmorgen Bescheid gegeben. Sie hatte mir versichert, dass sie zumindest die Kontaktabzüge haben würde. Sie hat mir sogar zur Bestätigung eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen.«
    »Wann kam dieser Anruf?«
    »Sonntag, am frühen Abend. Da hatte mein Film gerade angefangen, ich bin nicht drangegangen.«
    Fotos. Ein paar Stunden vor dem Mord. Vielleicht wusste ja der Typ etwas, der mit ihr das Blitzlichtgewitter veranstaltet hatte.
    Julia stand auf.
    »Wo finde ich diesen Lorenzo?«
    »Möchten Sie ihn befragen?«
    »Was halten Sie von ihm?«
    »Der ist in Ordnung, wissen Sie. Sie müssen nicht auf all den Blödsinn hören, der so rumerzählt wurde …«
    Die Ermittlungsbeamtin horchte auf.
    »Was denn für ein Blödsinn?«
    »Rumtreiber, Drogenfuzzi, Weiberheld … Der geht einfach ganz schön ran. Da sind Leute neidisch …«
    Julia suchte nicht nach einem Don Juan aus der Provinz. Sie war einem Mörder auf der Spur. Sie fragte etwas barsch:
    »Adresse bitte.«
    Die Antwort kam widerstrebend:
    »Rue Rouge. Nummer achtunddreißig.«
    42
    Ihm platzte fast der Schädel.
    Eine Armee von Kakerlaken trampelte in geschlossenen Reihen auf seinen Synapsen herum. Seiner Zunge ging es nicht besser. Eine steife, dicke Masse wie ein mit fauligem Wasser vollgesogenes Stück Pappe.
    François öffnete erst das eine Auge, dann das andere. Auf dem Radiowecker war es neun Uhr zweiundvierzig. So ein elender Mist … Wegen der drei Xanax, die er am Abend genommen hatte, hatte er geschlafen wie ein Stein. Er hatte vor der Wahl gestanden: das Schlafmittel oder eine durchwachte Nacht. Erst der Streit mit Charlotte, dann das Gespräch mit Julia. Zwei Diskussionen, die ihn bis ins Innerste aufgewühlt hatten. Mit dem Ergebnis, dass er kein Auge hatte zutun können.
    Das Aufstehen fiel ihm schwer. In der Wohnung herrschte absolute Stille. Aus dem Wohnzimmer drang bleiches Licht. Ein kurzer Blick in den Flur verriet ihm, dass seine Tochter bereits das Weite gesucht hatte.
    Er schleppte sich in die Küche. Kaffee. Schnell. Der Tag würde hart werden. Er hatte ein Wahnsinnsprogramm vor sich, und sein Akku war jetzt schon leer. Der duftende Arabica-Kaffee machte ihn ein wenig munter. Als ihm das schwarze Gebräu durch die Kehle rann, kam allmählich wieder Leben in ihn.
    Er zog sich schnell an, ging hinunter in die Garage und stieg in seinen Touareg. Natascha. Eine Hellseherin. Auf den Zusammenhang wäre er nie gekommen. Julia hatte erstaunliche Ideen. Aber warum nicht? Bei genauer Überlegung hatte das durchaus Hand und Fuß. Und den Vorteil, dass sie so die schwierigsten Fragen beantworten könnten. Aber wie hatte der Mörder die drei Jugendlichen überhaupt aufgespürt? Sie kannten sich nicht. Sie lebten nicht einmal im selben Ort. Eine derartige Meisterleistung war nur dadurch erklärbar, dass es irgendeine unerwartete Verbindung gab.
    Eine, auf die man nicht so leicht kommt …
    Die Fahrt nach Nanterre verging wie im Flug. Im Auto herrschte eine angenehme Temperatur, es gab Nieselregen und Vivaldi als Hintergrundmusik. François hatte noch so viel Anxiolytika in den Adern, dass er sich wie in Watte gepackt fühlte und seine Wahrnehmung ein wenig gedämpft war.
    Heute Morgen hatte das Gebäude der Kripo ausgesehen wie ein Frachtschiff, gestrandet auf grauer Erde. Am Wochenende herrschte nicht so viel Betrieb, da wirkte es wie ein vor sich hin dösender Koloss. Die Arbeitszeitverkürzung hatte zwangsläufig dazu geführt, dass die Dienste der Kripo nur noch auf Sparflamme liefen.
    Marchand machte als Erstes einen Abstecher

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