Wer Böses Tut
konnte ich unmöglich nach Hause fahren. Ich weiß noch, dass ich kurz darüber nachdachte, ob sie vielleicht gelogen hatte, nur um mich zu provozieren. Dann sah ich ihn …« Ihre Stimme erstarb.
»Haben Sie mit ihm gesprochen?«
Liz nickte. »Ich habe gehupt. Er war schockiert, als er mich sah. Er wusste sofort, was Rachel mir erzählt hatte. Er kam herüber. Ich kurbelte das Fenster runter und schrie ihn an, sagte ihm, was ich von ihm hielt, und fuhr weg, bevor er irgendwas sagen konnte. Nichts konnte es wiedergutmachen. Er folgte mir zur Wohnung meines Bruders, aber ich habe ihn nicht hereingelassen. Am nächsten Morgen bekam ich einen Brief von ihm. Er versuchte, alles kleinzureden, als wäre es nichts, und schrieb,
dass er mich liebt. Aber dafür war es zu spät. Ich wusste, dass Rachel ihn nach dem, was sie getan hatten, für immer in der Hand hatte, und sie würde ihn bezahlen lassen. Und durch ihn würde sie mich bezahlen lassen. Es würde niemals aufhören. Am Ende habe ich wahrscheinlich auch kapiert, was für ein rückgratloser Schuft er ist.«
»Werden Sie es schaffen?«, fragte er und wollte ihr irgendwie helfen, wusste aber nicht, was er sagen oder tun sollte.
Liz seufzte und rieb sich das Gesicht mit den Händen. »Ja. Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken. Es tut immer noch weh, wenn ich mir die beiden zusammen vorstelle, aber ich denke, ich werde irgendwann darüber hinwegkommen. Im Augenblick habe ich überhaupt keine Gefühle mehr und fühle mich wie taub. Wenn Sie mir sagen würden, dass ich morgen sterben muss, wäre mir das wahrscheinlich scheißegal.«
»Aber Sie haben ihn geliebt?«, fragte Tartaglia zweifelnd und verwirrt. Was war es, das Liz an Tenison so attraktiv fand? Dann dämmerte es ihm. Sie hatte ihm erzählt, dass Rachel ihr etwas Wertvolles weggenommen hatte, aber es war eigentlich umgekehrt. Liz hatte Rachel etwas schier Unschätzbares weggenommen. Bewusst oder unbewusst hatte sie Rachel etwas heimgezahlt, und wenn es ihr gefallen hatte, konnte er ihr dafür keinen Vorwurf machen.
Liz runzelte die Stirn. »Schauen Sie mich nicht so kritisch an.«
»Das wollte ich nicht.«
»Egal, wie merkwürdig das jetzt klingt, aber es gab auf jeden Fall Momente, in denen ich dachte, Patrick zu lieben. Vielleicht hätten wir uns eher davon befreien müssen, aber es kommt auf den richtigen Zeitpunkt an, oder?«
»Aber warum ist er dann am Donnerstagabend zu Ihnen gekommen?«
Sie lächelte matt. »Wie so viele Männer verträgt er kein Nein. Natürlich war er voller Schuldgefühle wegen dem, was er getan hatte, aber plötzlich war ich eine Herausforderung für ihn, etwas, das zurückerobert werden musste. Wie auch immer, er hatte an dem Abend ziemlich viel getrunken. Und Rachel hatte lauter hässliche und schreckliche Dinge zu ihm gesagt. Ich nehme an, er wollte einfach ein bisschen Mitleid und hoffte wahrscheinlich, ich würde ihn wieder in mein Bett lassen.«
Er sah sie fragend an.
»Ich habe ihm weder das eine noch das andere gegeben«, sagte sie mit Nachdruck. »Ich zwang ihn, im Zimmer meines Bruders zu schlafen.«
»Dann war er gar nicht mit Ihnen zusammen.«
»Nicht in meinem Bett, nein.«
»Sind Sie sicher, dass er nicht irgendwann ohne Ihr Wissen die Wohnung verlassen hat?«
»Ganz sicher. Wie Sie sich vorstellen können, habe ich zurzeit alles Mögliche im Kopf und schlafe deshalb schlecht. Das war in dieser Nacht nicht anders. Ich bin zweimal aufgestanden, einmal um vier und einmal um sechs Uhr morgens. Beide Male bin ich in die Küche gegangen, um mir eine Tasse Tee zu machen, und beide Male habe ich nach ihm geschaut. Er hat tief geschlafen.«
»Wann ist er aufgewacht?«
»Er kam am nächsten Morgen in mein Zimmer. Mein Wecker hatte gerade geklingelt, es muss also kurz vor acht gewesen sein. Er war noch nicht angezogen.«
»Er könnte ohne Ihr Wissen in den Park gegangen sein.«
Sie sah ihn erstaunt an. »Wie? Um eiskalt Rachel umzubringen und gleich wieder zurückzukommen? Das glaube ich nicht. So kaltblütig ist er nicht. Er hat Rachel wirklich geliebt.«
»Manche Menschen töten die Person, die sie am meisten lieben.«
»Warum? Was ist sein Motiv? Nicht einen einzigen Augenblick habe ich geglaubt, dass er fähig ist, sie zu ermorden, und ich verspreche Ihnen, wenn es so wäre, hätte ich es Ihnen längst gesagt.«
»Vielleicht täuschen Sie sich in ihm.«
Sie schüttelte entschieden den Kopf und verschränkte die Arme. »Nein. Wenn er sie umgebracht hätte
Weitere Kostenlose Bücher