Wer Böses Tut
angesichts des allgemeinen Zustands der Wohnung, beugte er sich hinüber, gab ihr Feuer und zündete dann seine Zigarette an. Sie nahm einen tiefen Zug und hustete.
»Ich hatte vergessen, wie stark die sind«, sagte sie und räusperte sich. »Also, was wollen Sie mich fragen?«
Er lehnte sich zurück, schaute sie einen Augenblick lang an, bemerkte die Müdigkeit in ihrem Gesicht und überlegte, wo er anfangen sollte. Die Bilder von den Masken und Handschellen schossen ihm durch den Kopf, doch darüber würde er sie später befragen.
»Sie kannten Miss Tenison besser als jeder andere. Wenn Sie in meiner Haut steckten, wo würden Sie anfangen zu suchen?«
»Ich habe keine Ahnung.«
Sie antwortete ein klein wenig zu schnell, und er glaubte ihr nicht. »Passen Sie auf, es ist durchaus wahrscheinlich, dass es sich um ein sexuell motiviertes Verbrechen handelt und dass Miss Tenison ihren Mörder kannte. Aber die einzige Beziehung, von der wir wissen, ist die mit Richard Greville, die offensichtlich seit einem Jahr beendet ist.«
»Das ist richtig.« Sie warf ihm einen wachsamen Blick zu, während sie einen Schluck Wein trank. »Ich dachte, das hätten wir alles schon heute Morgen geklärt.«
»War sie lesbisch oder vielleicht bisexuell?« Auch wenn Patrick Tenison die Frage verneint hatte, er musste es überprüfen. Ein Bruder musste nicht unbedingt alles über seine Schwester wissen.
»Nein. Mit Sicherheit nicht. So viel kann ich Ihnen sagen.«
»Wollen Sie herausfinden, wer Ihre Freundin umgebracht hat?« Sein Tonfall war provozierend.
Ihre Augen weiteten sich. »Natürlich will ich das.«
»Dann helfen Sie mir. Ich tue mich schwer, mir ein Bild von ihr zu machen.« Er hielt einen Moment lang inne, zog an seiner Zigarette und ließ die Stille wirken. Langsam wurde er ruhiger. »Gut, beginnen wir mit Richard Greville. Erklären Sie mir die Dynamik ihrer Beziehung. Er war viel älter. Mochte sie keine gleichaltrigen Männer?«
Liz verzog das Gesicht. »Normalerweise schon. Aber mit Richard war das etwas anderes. Ich persönlich habe nie verstanden, was sie an ihm fand - ich meine, Richard ist nicht mein Typ, aber das hat nichts mit seinem Alter zu tun. Wahrscheinlich ist es die alte Geschichte. Rachel hat eine Vaterfigur gesucht und Richard gefunden.«
»Hat es sie glücklich gemacht?«
Die Frage schien sie zu überraschen.
»Das weiß ich nicht«, antwortete sie nachdenklich und begegnete seinem Blick mit einem Anflug von Offenheit, die ihm sofort gefiel. »Auf eine komische Art gefiel es Rachel, dass Richard ihr völlig verfallen war, aber ich glaube, als sie ihn an der Angel hatte, war die Attraktion weg. Ich hatte den Eindruck, sie war sich seiner ein bisschen zu sicher.«
»Ich dachte, die Beziehung ging über ein paar Jahre?«
»Ich bezweifle, dass sie ohne die Galerie so lange gehalten hätte. Richard war der Anker in Rachels Leben, und zwar in mehrfacher Hinsicht.«
»Hat es sie nicht gestört, dass er verheiratet war?«
»Sie meinen moralisch?«
»Wie auch immer.«
Sie streifte die Asche ab und sah ihm wieder direkt in die Augen. »Ich glaube, es hat sie ganz und gar nicht gestört, weder moralisch noch in dem Sinne, dass sie ihn mit jemandem teilen musste. Sie wusste, dass er ihr gehörte. Er hätte seine Frau auf der Stelle verlassen, wenn Rachel ihn darum gebeten hätte, aber das wollte sie nicht.«
»Das hat sie Ihnen alles erzählt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Das habe ich zwischen den Zeilen gelesen, was ich oft tun musste, seit ich Rachel kannte. Sie gehörte nicht zu denen, die ihre Gefühle ausbreiten, glauben Sie mir.«
»Aber sie hat Ihnen von ihrem Verhältnis mit Richard Greville erzählt.«
»Sie hat es mir nicht ins Gesicht gesagt. Ich habe es zufällig herausgefunden …« Sie hielt inne und lächelte zögernd. Es war das erste Mal, dass er sie lächeln sah, und es erhellte ihr ganzes Gesicht. Er bemerkte eine kleine Lücke zwischen ihren Vorderzähnen. Sie ist wirklich hübsch, dachte er bei sich.
»Bitte sprechen Sie weiter.«
Sie schüttelte den Kopf und seufzte. »Nun … es war einige Zeit, nachdem sie die Galerie eröffnet hatten. Ich war eines Abends zufällig im West End, also bin ich vorbeigegangen, um zu schauen, ob Rachel noch in der Galerie ist. Normalerweise arbeitete sie lange, und ich dachte, vielleicht hat sie Lust, etwas trinken zu gehen. Ich konnte niemanden entdecken, aber hinten brannte Licht, und die Tür war nicht abgeschlossen. Ich stieß sie
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