Wer Böses Tut
Fall nie gelöst. Aber ganz habe ich noch nicht kapiert, wo sie sein soll.«
»Du siehst keine Ähnlichkeiten?«
»Doch, es gibt einige, genug für jemanden von außen, um die Frage zu stellen. Aber ich bin mir noch nicht sicher. Ich muss mir das viel genauer ansehen.«
»Dann erzähl mir von dem Watson-Fall.«
Er zog heftig an seiner Zigarette, ehe er antwortete. »Catherine Watson wurde fast auf den Tag genau heute vor einem Jahr ermordet. Sie war Ende dreißig, Dozentin an der Universität und lehrte Englisch, wenn ich mich recht erinnere. Sie war Single, nach allem, was man hörte, eine hübsche, intelligente, anständige Frau, ihre Familie und Freunde liebten sie, und wenn man ihnen glauben kann, war sie fast eine Heilige. Nett zu Tieren und Kindern, solche Dinge. Sie wohnte in einer Erdgeschosswohnung in der Nähe der U-Bahn in Cricklewood, gab in ihrer Freizeit Nachhilfe, um über die Runden zu kommen, hatte die eine oder andere Beziehung, aber nichts Ernstes oder Längeres. Auf der romantischen Seite hat sie eher versagt, würde ich sagen. Wie sagt man doch so schön? Die, die nie den Brautstrauß fängt, ja, das war Catherine. Ich habe ihr Tagebuch gelesen. Ich habe ihre Briefe gelesen. Auch wenn ihre Freunde sagten, wie unabhängig sie war, wie ausgefüllt mit ihrem Singledasein, so wie ich das gesehen habe, war sie traurig und einsam.
Dann, eine Woche bevor sie starb, hat sie ihre Schwester in Manchester angerufen und ihr erzählt, sie glaubte, sie habe sich verliebt. Die Schwester, die das alles schon kannte, hat höflich zugehört, aber keine Fragen gestellt. Und um deiner Frage zuvorzukommen: Wir haben nie herausgefunden, wie er hieß oder ob er überhaupt existierte. Er könnte genauso gut ein Produkt ihrer Fantasie gewesen sein. Wie auch immer, es wird Samstagabend, Watson lässt jemanden in ihre Wohnung, und am nächsten Morgen, bingo, ist sie tot. Die Tür stand einen Spalt offen, und ihr Nachbar hat sie gefunden. Sie war nackt, gefesselt, geknebelt und vergewaltigt worden, anschließend wurde sie mit einer ihrer eigenen Strumpfhosen erwürgt. Leider hat der Täter ein Kondom benutzt und das Beweisstück vom Tatort entfernt.«
Er hielt inne, um seine Zigarette auszudrücken und einen Schluck Whisky zu trinken. Er drehte das Glas in den Händen und ließ die Eiswürfel klirren, dann fuhr er fort. »Es war mein erster Fall als DI, und ich erinnere mich lebhaft daran.«
»Hattet ihr irgendwelche Verdächtige?«
»Sicher. Den Nachbarn, der sie gefunden hat, zum Beispiel. Malcolm Broadbent. Ein merkwürdiger Knabe, lebte allein, ein Stockwerk über ihr. Soweit ich gehört habe, hatte er eine Schwäche für sie. Hat für sie das Auto gewaschen, die Einkäufe ins Haus getragen, unangenehme Arbeiten ums Haus herum erledigt, wenn sie es wollte. Und hatte ein übertrieben wachsames Auge auf ihr Kommen und Gehen, wie einer ihrer Verflossenen sagte.«
»Aber ihr konntet ihm nichts nachweisen?«
Er fuhr sich mit einer großen Hand durch das wuschelige blonde Haar und schüttelte den Kopf. »Nein. Seine Fingerabdrücke und seine DNS waren überall am Tatort. Aber wie ich schon sagte, er war oft in Catherine Watsons Wohnung. Und
um alles noch schlimmer zu machen, hat er versucht, sie wiederzubeleben, als er sie gefunden hat, weil er dachte, sie sei noch am Leben.«
»Und das war sie nicht?«
»Mausetot. Seit Stunden.«
»Wie konnte er denken, dass sie noch lebt?«
»Broadbent behauptete, sie habe gestöhnt, als er sie aufhob. Aber das war einfach gelogen, wie das meiste, was er uns erzählt hat. Jedenfalls hat er Zeter und Mordio geschrien, geheult wie ein Gespenst und um Hilfe gerufen. Er hat so einen Lärm gemacht, dass innerhalb kürzester Zeit alle Hausbewohner und Nachbarn durch die Wohnung trampelten und glotzten, und niemand kam auf die Idee, dass es besser wäre, draußen zu bleiben. Dann hat irgendjemand den Notarzt gerufen, und die ganze Truppe stürmte die Wohnung und versuchte sie zu reanimieren. Wenigstens dann hat ein schlaues Kerlchen erkannt, dass sie bereits steif wie ein Brett war und demzufolge tot sein musste. Schließlich kam ein Kollege vom Revier und hat alle rausgeschmissen. Aber der Schaden war schon da. Die Spurensicherung war total fertig, aus forensischer Sicht natürlich.«
»Glaubst du, Broadbent hat es absichtlich verwüstet?«
»Na ja, es war auf jeden Fall verdächtig.«
»Habt ihr ihn festgenommen?«
»Ja, mehrmals sogar. Er hatte für den Abend kein Alibi, aber
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