Wer Böses Tut
noch irgendwo anders in London. Die Presse hat einen Mordsrummel veranstaltet, von wegen Serienmörder, der frei rumläuft, aber das war alles totaler Quatsch. Für mich war es ganz einfach. Catherine Watson war eine umsichtige, vorsichtige Frau. Sie hatte ihre Tür gut gesichert, ordentliche Schlösser und Riegel,beinahe zu viel des Guten, als hätte sie Angst vor solchen Dingen. Sie hätte niemanden in die Wohnung gelassen, dem sie nicht vertraute. Es gab die Theorie, dass mehr als eine Person bei ihr gewesen sein könnte. Der Typ, der im Souterrain wohnt, meinte, Schritte von mehreren Menschen gehört zu haben. Aber die Bodendielen knarren, und oben war laute Musik. Mit der Idee sind wir nicht sehr weit gekommen.«
»Du hast gesagt, sie war einsam. Glaubst du, sie hat Männer wegen Sex aufgerissen?«, fragte Donovan, auf der Suche nach einer möglichen Verbindung zu Rachel Tenison.
»Wenn es so war, haben wir nichts gefunden. Nach allem, was ich über Catherine weiß, war sie nicht der Typ, der durch Bars zog, wenn du das meinst. Meinem Eindruck nach war sie eine Romantikerin auf der Suche nach Mr. Right. Sie hatte nur kein Talent, den Richtigen zu finden.«
»Was ist mit ihren Liebhabern?«
»Wir haben jeden gründlich durchleuchtet und sind dabei einige Jahre zurückgegangen. Aber keiner passte ins Bild. Am Ende landeten wir immer wieder bei derselben Schlussfolgerung: Wenn es nicht Broadbent war oder möglicherweise doch Jennings … wer hätte es sonst sein sollen?«
Vierzehn
Tartaglia ging ins Wohnzimmer und schloss die Fensterläden. Die Kisten mit den Akten des Catherine-Watson-Falls standen neben der Eingangstür, wo Wightman sie abgestellt hatte. Er bückte sich und wühlte darin herum, bis er fand, was er suchte, dann ging er zum Sofa und setzte sich. Er fing mit den Aufnahmen des Tatorts an und blätterte die Seiten durch, bis er zu den Fotos von der toten Catherine Watson kam. Sie lag auf dem Rücken, mit dem Gesicht nach oben, auf einigen Fotos mit einer Decke zugedeckt, auf anderen war sie nackt und ungeschützt. Nahaufnahmen zeigten das Ausmaß ihrer Verletzungen: Hämatome und Schnitte um den Mund, als wäre sie geschlagen worden; tiefe Einschnitte an ihren Hand- und Fußgelenken und am Hals, wo sie zu irgendeinem Zeitpunkt, als sie noch lebte, gefesselt worden war, allerdings gab es keinen Hinweis auf das Material, das der Täter verwendet hatte. Er war solche Bilder gewohnt, doch sie berührten ihn jedes Mal, vor allem, wenn Kinder oder Frauen die Opfer waren. Als er ihr weißes, leeres Gesicht betrachtete, die Flecken und die mit Wimperntusche vermischten Tränenspuren um ihre Augen, sprach er ein stummes Gebet für sie.
Er zündete sich eine Zigarette an und überlegte, was sie, wenn überhaupt, mit Rachel Tenison gemeinsam haben könnte. Die Beschaffenheit einiger ihrer Verletzungen war bisher das Einzige, das auf irgendeine Verbindung hinweisen könnte, aber eine klare und direkte Parallele gab es nicht. Er wandte seine Aufmerksamkeit dem Obduktionsbericht zu. Der legte nahe,
dass Handschellen und möglicherweise ein Seil oder Bindfaden benutzt worden waren, um sie zu fesseln, als sie noch lebte. An ihren Brüsten und am Bauch wurden flache Schnittwunden gefunden, die zu einer scharfen Klinge passten, sie war vaginal und anal missbraucht und mit irgendeiner Schnur stranguliert worden. Man hatte Spuren von Watte in ihrem Mund gefunden, vermutlich Teile eines Knebels. Hinter den Bildern fand er eine Notiz, die besagte, dass mehrere kurze Bindfäden, ein Wattebausch und eine hautfarbene Strumpfhose am Tatort sichergestellt worden waren. Eine weitere Notiz besagte, dass man ein offenes Paket mit identischer Watte in einem Schrank in Watsons Badezimmer gefunden hatte.
Er legte den Ordner beiseite und öffnete den Umschlag mit dem Schlussbericht, der den Fall zusammenfasste. Catherine Watson war am Samstagabend um halb sechs zum letzten Mal gesehen worden, als sie in ein nahe gelegenes Geschäft ging, um Lebensmittel einzukaufen. Ein Kassenzettel, der aus dem Küchenabfall stammte, listete Milch, Brot, Sahne, Speck, Parmesan, Eier, Spaghetti, Erdbeeren, Salat und Vanilleeis auf sowie eine Flasche Wein und Kerzen. Die Liste klang, als wollte sie Spaghetti Carbonara kochen, und der Wein und die Kerzen deuteten darauf hin, dass sie sich für irgendjemanden besonders viel Mühe geben wollte. War sie aufgeregt gewesen? Hatte sie der falschen Person vertraut und ihren Mörder zum
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