Wer braucht denn schon Liebe
Namen von Antonio Ferraris ausgestellt war, seinem Freund und engsten Mitarbeiter.
Von draußen drang immer lauteres Kampfgeschrei zu ihnen herein. Die spitzen Schreie zweier Weiber, die die Grenze zur Hysterie längst überschritten hatten.
»Sind die verrückt geworden? Ich habe einer großen Taufe absagen müssen, um diese Hochzeit unterzubringen, und nun das!« Mario, Koch und Besitzer des kleinen Ristorante, trieb es die Zornesröte ins Gesicht. Im Laufschritt schnappte er sich sein schärfstes Küchenmesser und stürmte hinaus. Zwei junge Küchenhelfer, die, solange ihr Chef ein wachsames Auge auf sie warf, nicht wagten, die Minestrone, für die sie zuständig waren, im Stich zu lassen, stürmten nun begeistert ans Fenster.
»Vier Euro auf die Braune mit dem Dutt!«
»Fünf auf die Rothaarige. Die hat den Teufel im Leib.«
»Bene. Aber es gilt nur, wenn eine k. o. am Boden bleibt.«
»Weiber lassen sich nicht k. o. schlagen, die geben vorher auf.«
»Um dich dann von hinten fertig zu machen. Traue niemals einer Frau, sagt mein Papa immer.«
»Hör auf deinen Papa! Er hat verdammt Recht!«, mischte Lorenzo sich ungefragt und ziemlich wütend ein. Ein Blick über die Schulter der Jungen reichte ihm. Bei der Rothaarigen mit dem Teufel im Leib handelte es sich nämlich um niemand anderen als um die Frau, für deren warme Mahlzeit er gerade tonnenweise Kisten mit Gemüse schleppte.
Nannte sie das »brav in ihrem Versteck bleiben«? Sie schien geradezu versessen darauf, ihn in Schwierigkeiten zu bringen. Bislang hatte er sein Inkognito wahren können. Für Mario und die Küchenjungen war er ein ganz normaler Mann auf Arbeitssuche. Für die reichten ein Drei-Tage-Bart und fettige Haare, um sich bis zur Unkenntlichkeit zu verkleiden. Doch die Frauen, die da drüben auf dem Rasen die Kämpfenden anfeuerten, zählten zu einem anderen Kaliber. Frauen waren, wie er aus Erfahrung wusste, mit einem unbestechlichen Gedächtnis ausgestattet. Es reichte, wenn nur eine Einzige von denen da drüben sein Gesicht aus der Zeitung wiedererkannte. Schon wäre seine ohnehin auf wackligen Füßen stehende Anonymität dahin.
Nein, auf keinen Fall durfte er das zulassen. Das verbot ihm schon sein Stolz. Der zukünftige Herrscher von San Marcino als Küchenhilfe.
Undenkbar.
Und wichtiger noch: Hatte er es verdammt noch mal nötig, den Babysitter für eine dahergelaufene türkisäugige Schönheit zu spielen? Weiß der Himmel, welcher Teufel sie geritten hatte, sich auf diese unwürdige Prügelei einzulassen. Doch sie hatte es sich eingebrockt, nun sollte sie es auch ausbaden.
Und zwar ganz allein.
Sein Bedarf an Komplikationen war gedeckt. Für alle Zeiten.
Lorenzo riss sich vom Anblick der beiden kämpfenden Frauen los. Aus den Augenwinkeln heraus erkannte er gerade noch, wie Karen das Gebiss bleckte, um ihrer Kontrahentin in die stämmige Wade zu beißen. Wie gut, dass es nicht umgekehrt war. Karen besaß eindeutig die hübscheren Fesseln.
Trotzdem.
Geschäftig stapelte Lorenzo die Kisten aufeinander, die er bereits hereingetragen hatte, bevor er sich vergewisserte, dass die beiden Jungen immer noch damit beschäftigt waren, den Kampf zu verfolgen.
»Wow! Die Braune hat der Roten ein ganzes Büschel Haare ausgerissen!« Immerhin brachte Lorenzo noch so viel Solidarität mit Karen auf, um wenigstens schmerzgepeinigt das Gesicht zu verziehen, als er das hörte. Doch dann zog er es vor, sich vorsichtig, aber so schnell es ging, aus dem Staub zu machen.
Beim Anblick des in der Sonne blitzenden Fleischermessers, das sich in rasender Geschwindigkeit auf sie zu bewegte, überschlug Karen in Gedanken schnell noch mal, was sie in ihrem bisherigen Leben alles zu bereuen hatte. Viel war es nicht. Sechsundzwanzig war eben noch kein Alter, um zu sterben.
Mit fünfzehn hatte sie ihre Großmutter mal zahnlose Obermumie genannt, weil sie ihr die Erlaubnis verweigerte, zusammen mit ihren Freundinnen die Silvesternacht in der Düsseldorfer Altstadt abzutanzen. Zwei volle Tage lang war Karen deshalb in Redestreik getreten. Erst als auch ihre Freundinnen brav im Kreis ihrer Familien feiern mussten, kehrte der häusliche Frieden wieder ein.
Mit neunzehn hatte sie dann von den Haschischplätzchen probiert, die bei einem befreundeten Dekorateur herumgereicht wurden. Da sie aber zu den Menschen gehörte, die gerne die Kontrolle über ihr eigenes Leben behielten, beließ sie es beim zaghaften Knabbern.
Sonst gab es eigentlich nichts, was sie
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