Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer braucht denn schon Liebe

Wer braucht denn schon Liebe

Titel: Wer braucht denn schon Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marte Cormann
Vom Netzwerk:
doch beabsichtigt: Lorenzo loszuwerden.
    Karen beobachtete ihn, wie er den Riemen seines Rucksacks, der sich verdreht hatte, gerade rückte. Wenn er doch auch ihr verdrehtes Herz so einfach richten könnte. Sie wollte nicht, dass er ging.
    Noch nicht.
    »Es tut mir Leid!«, rief sie hinter ihm her. Und reagierte panisch, als er nicht mal mehr zurückschaute. »Ich will dir doch nicht wehtun. Es ist nur …« Immer dieser verdammte Kloß in ihrer Kehle.
    »Ich weiß doch gar nicht, was Vertrauen ist. Meine Mutter …« Karen musste unter Tränen lachen. »Meine Mutter war eben auch nicht der ganz große Bringer.« Hilflos ließ sie die Schultern sinken. Wieder versuchte sie zu lachen. Diesmal fiel es noch kläglicher aus als zuvor.
    »Eigentlich passen wir doch ganz gut zusammen?!« Ein Hilferuf.
    Zögernd ging sie auf Lorenzo zu, der abwartend stehen geblieben war und ihr misstrauisch entgegenblickte. Hilflosigkeit überwältigte Karen. Sie sehnte sich nach Nähe und wusste doch nicht, wie sie die herstellen sollte, ohne ihn oder sich zu verletzen.
    »Freunde?«, flüsterte sie ängstlich.
    Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bevor Lorenzo sie schweigend in seine Arme zog. Mit einem Gefühl tiefer Dankbarkeit schmiegte sie ihr Gesicht an seine Brust. Sein Hemd duftete noch nach dem Heu der vergangenen Nacht.
    So standen sie eine ganze Weile einfach nur da und hielten sich.

Sieben
    »Wie alt warst du, als deine Mutter dir die Karte schickte?« Lorenzo schob Karen ein Stück frischer Feige in den Mund, das sie erst genüsslich zerkaute, bevor sie ihm antwortete.
    »Fünf oder sechs. Im Jahr darauf bin ich jedenfalls eingeschult worden.«
    »Mmmh. Also vor fast dreißig Jahren?!«
    Empört blickte sie ihn an. Der Schuft machte sie glatte zehn Jahre älter!
    »Na warte!» Mit Schwung versetzte sie ihm einen kräftigen Stoß mit dem Ellenbogen. Lorenzo schwankte, fiel aber nicht von dem Holzstumpf, auf dem er gerade saß. Erst als sie lachend noch mal nachsetzte, purzelten sie beide ins hohe Gras. Wie die Kinder balgten sie sich. Schließlich gewann er die Oberhand, kniete sich über sie und presste ihre Hände hinter ihrem Kopf fest auf die Erde. Mit blitzenden Augen lachte sie ihn an.
    »Du willst mich küssen«, lockte sie ihn sirenengleich, indem sie ihren Worten eine kleine Melodie verlieh. »Aber ich lass dich nicht.« Blitzschnell drehte sie den Kopf zur Seite, als er sich tatsächlich mit seinem Mund näherte. Gespannt wartete sie, wie er reagieren würde. Als überhaupt nichts geschah, wandte sie sich ihm enttäuscht wieder zu. Er war auf ihr kleines Spiel nicht eingegangen. Schade.
    »Küssen ist eine sehr ernste Angelegenheit, meine Dame«, raunte er mit dem Mund an ihrem Hals. »Darüber macht ein Mann keine Scherze.« Zentimeter für Zentimeter knabberte er sich in Zeitlupentempo hoch bis hinauf zu ihren Lippen. Die Sonne stand in seinem Rücken, sodass sie seine Augen nicht erkennen konnte. Was auch immer der Schatten vor ihr verbarg – in diesem magischen Augenblick vertraute sie ihm.
    Wohlig ausgestreckt hielt Karen ganz still. Aus vollem Herzen genoss sie seine Liebkosung. Weder Kevin noch einer seiner Vorgänger hatte sich jemals so viel Zeit für sie genommen.
    Um mein Herz zu erobern? Vorsicht!
    Die Vernunft zog die Notbremse. Karen reagierte ähnlich schnell wie damals, als sie von einem Freund den heißen Tipp erhielt, dass belux, eine viel zu hoch gehandelte Internetfirma, unmittelbar vor dem Konkurs stand. Sie riet dem Klienten, mit dem sie gerade zusammensaß, umgehend zu verkaufen und rettete ihm damit Hunderttausende von Mark. Was ihr einen saftigen Anschlussauftrag einbrachte und den Ruf, das beste Pferd im Stall der Firma Kesselbaum zu sein. Letzteres nahm sie nicht einmal persönlich.
    Diesmal reagierte sie auf den Warnhinweis ihres Verstandes, indem sie mit Schwung beide Knie anzog und sie Lorenzo in den Rücken rammte. Als er überrumpelt seinen Griff um ihre Handgelenke lockerte, setzte sie die Beinschere an, nahm seinen Kopf in die Zange und zwang ihn so zu Boden. Eine Kampftechnik, die sie Oma Käthe zu verdanken hatte, die ihrer schüchternen kleinen Enkelin vor Jahren wöchentliches Judotraining verordnet hatte.
    »Ergibst du dich?«, erkundigte Karen sich mit dem charmantesten Lächeln der Welt.
    »Dein Verhalten beruht offensichtlich auf einer akuten Geistesstörung!«, verfiel Lorenzo prompt in den merkwürdig gestelzten Ton, den er immer anschlug, wenn er sich ärgerte.
    Karen

Weitere Kostenlose Bücher