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Wer braucht denn schon Liebe

Wer braucht denn schon Liebe

Titel: Wer braucht denn schon Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marte Cormann
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Und blickte in Augen, in denen sich stahlharte Entschlossenheit spiegelte.
    »Sagtest du nicht, du seist gläubig? Dann wirst du doch wohl wissen, was Kirchenasyl bedeutet?!«
    »Per favore«, mahnte der Küster.
    Verzweifelt strich Lorenzo sich mit der Hand durch die Haare. »Jetzt nimm doch mal Vernunft an, Karen. Mir reicht’s für heute an Aufregungen.«
    »Wenn du mir nicht hilfst, fessele ich mich an dieses Heizungsrohr hier. Dann gibt’s noch viel mehr Aufregung, das kannst du mir glauben!«
    Sie bluffte, darüber war er sich im Klaren. Als er sie nach der gelungenen Flucht bewusstlos hinten im Einsatzwagen gefunden hatte, war sie immer noch an die Haltestange gefesselt gewesen. Und wahrscheinlich hinge sie jetzt noch dort, wenn er nicht vorne im Handschuhfach einen kompletten Satz neuer Handschellen inklusive sämtlicher Schlüssel gefunden hätte.
    Aber das hatte er ihr selbstverständlich nie erzählt. Sollte sie doch ruhig glauben, dass sie ihre Befreiung nur seiner genialen, in Ganovenkreisen zur Meisterschaft herangebildeten Fingerfertigkeit verdankte.
    Plötzlich wurde Lorenzos Blick fast magnetisch auf Karens Busen gelenkt. Der war schon immer üppig gewesen. Aber soo üppig?! War es ihr wirklich zuzutrauen, dass sie ein Paar funktionierende Handschellen in ihrem Wonderbra vor ihm verbarg?
    »Nun mach schon!«, formte sie mit den Lippen.
    »Per favore! Vi prego!«, drängelte der Küster.
    Schweren Herzens entschloss Lorenzo sich zum Handeln.
    Obwohl seine innere Stimme ihn noch einmal beschwörend daran erinnerte, dass er Karen zu nichts verpflichtet war. Dass er eigentlich vorgehabt hatte, sich endlich einmal nur auf sich selbst zu konzentrieren. Um zur Ruhe zu kommen. Sich selbst zu finden. Den Sinn seines Lebens zu entdecken. Jenseits der Aufgaben, die das Schicksal ihm zugeteilt hatte.
    Mit einer forschen Bemerkung winkte er dem Küster, ihm nach draußen zu folgen.
    Zehn Minuten später – Karen war trotz des unbequemen Stuhls, auf dem sie saß, eingenickt – kehrten die beiden ins Zimmer zurück. Misstrauisch musterte Karen den armen Kirchenvertreter, ob er irgendwelche äußerlichen Blessuren davongetragen hatte, doch alles schien in bester Ordnung zu sein. Dennoch meldete sich ein dumpfes Unbehagen, als Lorenzo nun friedfertig seinen Arm um die Schultern des Mannes legte.
    »Tutto a posto«, erklärte er. »Wir dürfen die Nacht im Archiv verbringen.«
    Sollte Lorenzo für diese Nachricht freudige Begeisterung erwartet haben, wurde er enttäuscht. Karen schien den Sinn seiner Worte nicht zu begreifen. Stattdessen starrte sie bloß unverwandt auf den blau verfärbten Daumennagel des Mannes, äußerlich sichtbares Zeichen der perfiden Foltermethoden, die ihr Begleiter offensichtlich benutzt hatte, um dem Küster dieses Zugeständnis abzupressen. Aus Karens Wangen wich das Blut. Sie fühlte sich schuldig.
    Der Juckreiz begann unter der rechten Achselhöhle und arbeitete sich dann langsam über die Rippenbögen zu seinem Bauchnabel hinunter. Lorenzo bemühte sich, ihn zu ignorieren, doch als er Seite 253 des Kirchenbuches aus dem Jahre 1982 umblätterte, wurde es einfach unerträglich für ihn.
    Nach Luft schnappend stieß er seinen Stuhl zurück, der krachend umstürzte. Karen, die mit dem Kopf auf den Armen am Tisch eingeschlafen war, schreckte auf.
    »Stimmt was nicht?«, murmelte sie schlaftrunken.
    »Luft«, keuchte Lorenzo, rannte hinüber ans kleine Kellerfenster und stieß es weit auf. Erleichtert atmete er die kühle Nachtluft ein.
    Karen war nun wieder hellwach. »Brauchst du einen Arzt?«
    »Nein, danke. Es ist nur eine Stauballergie.«
    »Wenn ich daran denke, wie du auf Sauberkeit gedrillt worden bist, wundert mich das nicht«, sagte sie mit sanfter Stimme. Aufmerksam beobachtete sie ihn, bereit, sofort den Arzt zu rufen, wenn er blau anlief. Doch es schien ihm besser zu gehen. Wenn sie mal davon absah, dass er sich nun mit beiden Händen am ganzen Körper kratzte.
    »Der Keller ist Gift für dich!«, erklärte Karen energisch. »Oben im Büro ist bessere Luft.«
    Nur mühsam atmend zeigte Lorenzo vage auf die Bücherregale, die in engen Reihen vom Boden bis zur Decke reichten. »Alleine schaffst du das nie. Du hast nur diese eine Nacht. Morgen früh, wenn der normale Betrieb beginnt, müssen wir beide hier raus sein.« Es versetzte ihm einen kleinen Stich, als er an die zweihundert Euro dachte, die er dem Küster dafür zugeschoben hatte. Bis auf fünfzig Cent sein gesamtes

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