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Wer braucht denn schon Liebe

Wer braucht denn schon Liebe

Titel: Wer braucht denn schon Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marte Cormann
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runzelte die Stirn. Das klang aber gar nicht nach Kapitulation. Besorgt beobachtete sie, wie sich seine Gesichtsfarbe in zartes Purpurrot verfärbte und seine Schläfenader gefährlich anschwoll. In der nächsten Sekunde setzte er bei ihr einen Armhebel an, bis sie vor Schmerz aufschrie und abklatschte.
    »Judo und Taekwondo, beides schwarzer Gurt. Gehört bei uns sozusagen zur Grundausbildung«, erklärte er Karen gönnerhaft, während die sich leise jammernd den Arm rieb.
    »Bei den Ledernacken oder der Mafia?«, schnappte sie verärgert zurück. War dieser Mann denn gegen alle ihre Abwehrmaßnahmen immun? Wenn nicht mal ein komplizierter Befreiungsangriff aus dem Judo half – was dann?
    »Weder noch. Ich kämpfe bei einer anderen Liga«, erklärte er knapp.
    Karen sprang auf die Füße. »Klingt ja mächtig geheimnisvoll, Herr Geheimnisträger. Wenn du wirklich so gut im Geheimnisselösen bist, kannst du mir ja helfen, mein Geheimnis zu lösen.«
    »Nach zwanzig Jahren hast du keine Chance mehr, deine Mutter zu finden, Karen. Nicht, wenn sie nicht gefunden werden will. Kennst du denn wenigstens ihren Namen?«
    »Den Namen ihres Freundes«, ergänzte er, als er ihren verständnislosen Blick auffing. »Ich gehe mal davon aus, dass die beiden geheiratet und eine neue Familie gegründet haben. Wahrscheinlich bestand ihr Mann sogar darauf, dass sie vollständig mit der Vergangenheit brach. Das würde auch erklären, warum sie sich nie wieder bei euch gemeldet hat.«
    »Eine neue Familie?« Karen war viel zu intelligent, um eine solche Möglichkeit auszuschließen. Dennoch hatte sie den Gedanken bisher erfolgreich verdrängt.
    »Hast du schon mal daran gedacht, dass deine Mutter dich möglicherweise nicht sehen will? Was machst du dann?«
    »Hauptsache, ich weiß, wo sie ist und wie es ihr geht. Alles andere wird sich finden.« Auf Karens Stirn hatte sich eine steile Falte gebildet. Nachdenklich zog sie die Unterlippe in den Mund.
    »Ich gehe jetzt einfach rüber zur Polizeistation und erzähle denen die ganze Geschichte. Irgendwie werden die mir schon weiterhelfen können.«
    »Sag mal, kannst du eigentlich an nichts anderes als an die Polizei denken? Ihr Deutschen bekommt die Staatsgewalt wohl schon mit der Muttermilch verabreicht!«
    »Dafür predigen in Italien sogar die Pfarrer die Cosa Nostra von der Kanzel!«
    »Stopp! Kein schlechtes Wort über die Kirche!«
    »Du bist gläubig?«
    »Du etwa nicht?«
    Verblüfft starrten Karen und Lorenzo sich an. Schließlich begann Lorenzo sich verlegen hinter dem Ohr zu kratzen.
    Wie ein Hund, schoss es Karen prompt durch den Kopf.
    Pfui, Karen Rohnert!, rief sie sich selbst zur Ordnung. Lorenzo hat Recht: Du bist kein netter Mensch.
    »Lang lebe das vereinte Europa«, grinste Lorenzo im selben Moment schief. Was Karen von der selbstquälerischen Pflicht befreite, sich selbst zu geißeln.
    »Hältst du es für möglich, dass die Polizei uns sucht?«, überlegte Karen düster.
    »Nicht nur für möglich, sondern für sehr wahrscheinlich. Immerhin hast du auf deiner Flucht einen richtigen Einsatzwagen der Polizei geklaut. Das werden die wohl kaum so einfach hinnehmen.« Und in seinem kleinen Fürstentum würde er als oberster Einsatzleiter der Polizeitruppen sogar persönlich darauf drängen, dass der Fall lückenlos aufgeklärt würde.
    Ein befremdliches Gefühl, plötzlich auf der anderen Seite zu stehen.
    » Du hast den Wagen geklaut, und du hast mich entführt. Ich hätte auf der Wache längst alles aufgeklärt und säße bestimmt schon im Flieger nach Deutschland«, bestätigte sie seine schlimmsten Befürchtungen.
    »Du neigst zur Selbsttäuschung, meine Liebe. Aber wenn du unbedingt willst, dann geh doch zur Polizei und probier es aus! Ich hindere dich nicht!« Langsam, aber sicher ging ihm ihr Gerede auf die Nerven.
    »Du willst also, dass ich aufgebe?!« Karens Stimme zitterte kaum merklich. Sie wusste ja selbst, dass sie genauso gut eine Nadel im Heuhaufen suchen könnte. Die Chance, ihre Mutter zu finden, lag bei null. Bei einer solchen Ausgangsposition würde sie jedem ihrer Firmenkunden dringend dazu raten, den Vorgang abzuschließen. Alles andere belastete nur, ohne jemals Früchte zu tragen.
    Aber ihre eigene Mutter einfach abhaken? War das vergleichbar?
    Andererseits: Sie hatte es gekonnt.
    Karen schenkte Lorenzo, der in einiger Entfernung ruhig abwartete, was sie als Nächstes unternehmen würde, einen so verzweifelten Blick, dass sein Ärger auf sie sofort

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