Wer braucht denn schon Liebe
mit der Schnauze in ihren eigenen Urin.«
»Nein!« Erschrocken schlug Karen sich die Hand vor den Mund.
»Beim zweiten Mal ist es nur noch halb so schlimm. Dann weißt du, was auf dich zukommt, und lernst, die Luft anzuhalten. Wirklich schlimm ist es, wenn deine eigene Mutter irgendwelchen Fremden die Erlaubnis erteilt, ebenso mit dir verfahren zu dürfen. Diese Demütigung wirst du dein ganzes Leben lang nicht mehr los.« Die Fremden, von denen Lorenzo sprach, waren sein Kindermädchen und ein Butler gewesen. Beide hatten zum Glück viel zu viel Mitleid mit ihm gehabt, um von dieser zweifelhaften Erlaubnis jemals Gebrauch zu machen.
»Warum erzählst du mir das?«, fragte sie sanft. Es rührte sie, als er versuchte, lässig zu wirken, indem er unvermittelt einen unangebracht blasierten Gesichtsausdruck aufsetzte und achselzuckend begann, den Schraubverschluss einer Flasche Rotwein zu öffnen.
»Ich dachte, ich bin dir eine Erklärung schuldig. Normalerweise schreie ich Frauen nämlich nicht an.« Lorenzo fühlte sich plötzlich unbehaglich in seiner Haut. Noch nie zuvor hatte er so viel von sich preisgegeben.
Darauf, dass sie ihm mit aller Wucht auf den Fuß trat, war er nicht gefasst.
»Au! Spinnst du?!«
Mit blitzenden Augen und herausfordernd vorgestrecktem Kinn baute sie sich vor ihm auf.
»Damit du es weißt: Ich geh nicht mit Männern ins Bett, die immer nur jammern.«
Verflucht, wie hatte er bloß so dumm sein können, ausgerechnet dieser Feuerhexe seine verborgendsten Gefühle zu offenbaren?
Moment mal?!
»Was hast du gesagt?!«
»Dass ich grundsätzlich nicht mit Männern schlafe, die vor Selbstmitleid zerfließen. Meinst du das?« Aus weit geöffneten Augen blickte sie ihn unschuldig an.
»Wie kommst du darauf, dass ich mit dir schlafen will?«, herrschte er sie an.
»Männer drücken bei Frauen immer nur dann auf die Tränendrüse, wenn sie bei ihnen was erreichen wollen. Und da ich im Moment völlig mittellos dastehe, kann es ein Dieb wie du nur auf meinen Körper abgesehen haben.« Eigentlich plante Karen, ihn mit ihren herausfordernden Worten von seinem quälenden Kummer abzulenken, der sie in Wahrheit zu Tränen rührte. Doch sie hasste es zu weinen. Und deshalb breitete sie in einem Übermut, den sie selbst kaum begriff, die Arme aus und legte den Kopf in den Nacken.
»Hier, nimm mich!«, hauchte sie, angestrengt bemüht, sich das Lachen zu verkneifen. Um anschließend auch noch die Augen zu schließen und erwartungsvoll den Mund zu spitzen.
Lorenzo fühlte, wie es in ihm kochte.
Er starrte auf ihren kleinen, verlockenden Mund mit den klaren Konturen und dachte sich im Stillen, dass es für ihn entschieden besser gewesen wäre, sie einfach der Polizei zu überlassen. Wegen Körperverletzung und fehlender Papiere hätte sie möglicherweise ein paar Tage in einer nasskalten Gefängniszelle geschmort.
Tage, in denen er vor ihr verschont gewesen wäre.
Denn diese Karen war eine Plage, eine Heimsuchung, ein leibhaftiger Albtraum. Eine Frau voller Widersprüche und Herausforderungen – die ihn viel stärker faszinierte, als er es selbst zulassen wollte.
Und dann war da noch ihr Körper.
Jawohl, es war dieser wunderschöne Körper mit seinen fast barocken Formen, der ihn erregte. Die üppigen Brüste, die einladenden Hüften, die schlanken Beine mit den zierlichen Fesseln. Nichts an ihr erinnerte an die auf dem Operationstisch gestylte Massenware, mit der er schon viel zu häufig im Bett gelegen hatte.
Und als Zugabe dann noch dieser Kussmund, den sie ihm immer noch einladend entgegenstreckte.
Aufgewühlt nahm Lorenzo die Provokation an. Er senkte den Kopf und presste seinen Mund entschlossen auf ihre Lippen. Wie beim ersten Mal registrierte er überrascht, dass die im Gegensatz zu ihrem eher stachligen Wesen ganz erstaunlich weich und nachgiebig waren. Außerdem verwirrte es ihn, dass sie sich diesmal nicht gegen ihn wehrte, sondern ihr Mund sich unter seiner Berührung einen winzigen Spaltbreit öffnete.
Unwillkürlich legte er die Arme um Karen und zog sie näher zu sich heran. Als sie sich überraschend scheu an ihn schmiegte, begann Lorenzos Herz verwirrt schneller zu schlagen. Doch er ließ sich Zeit, als er sie küsste. Sehr sanft und langsam zeichnete er mit seiner Zungenspitze die Konturen ihres Mundes nach, der unter der Berührung einladend nachgab. Seine Zunge schlüpfte hinein und fühlte sich sofort wohl.
Lorenzo seufzte innerlich dankbar auf. Denn mit seinen
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