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Wer braucht denn schon Liebe

Wer braucht denn schon Liebe

Titel: Wer braucht denn schon Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marte Cormann
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ganzes Leben lang war ich wütend auf sie, weil sie mich im Stich gelassen hat und nun – ich fühle mich leer.« Sie verstummte.
    Lorenzo schwieg einen Moment. »Ich habe meine Mutter gehasst, solange sie lebte. Doch mit ihrem Tod starb auch meine Hoffnung, ihr jemals nah zu sein. Ich glaube, das war der größte Schmerz für mich«, erinnerte er sich nachdenklich. Unvermittelt wischte er sich mit der Hand über die Augen, wie um böse Geister zu vertreiben.
    »Hier!« Er zog einen Zettel aus seiner Hemdentasche und reichte ihn Karen. »Dieser Gabano wohnt jetzt in Pagani, einem kleinen Ort, circa zehn Kilometer östlich von hier. Der einzige Bus, der heute noch fährt, geht in zwanzig Minuten.« Abwartend sah er auf sie herunter.
    »Sie kam, um ihr Glück zu suchen, und fand den Tod. Hat sie dafür nun mein Mitleid verdient?« Ein bitterer Unterton schwang in Karens Stimme mit, als sie nun energisch ein letztes Mal die Rose in der Vase zurechtrückte, bevor sie sich erhob. Mit den Händen strich sie sich die winzigen Kiessteine von den Beinen. Noch immer mied sie Lorenzos Blick.
    »Gehen wir. Ich will wissen, wieso dieser Mann meiner Großmutter und mir den Tod meiner Mutter verschwiegen hat«, bestimmte sie entschlossen. Insgeheim atmete Lorenzo auf. In ihren Augen entdeckte er wieder den Kampfgeist, den er seit gestern Nacht an ihr vermisste.
    Karen warf keinen Blick mehr zurück, als sie an seiner Seite den Friedhof verließ.
    Federico Gabano lebte mit seiner Familie in einer schmalen Gasse von Pagani. Schlichte Tontöpfe aller Größen mit blauen Vergissmeinnicht und Blumen mit rosa Blüten, die Karen nicht kannte, zierten die Hauseingänge. Es war Mittagszeit, kurz nach halb eins. Aus den Häusern wehten die Gerüche von Knoblauch, Origano und anderen Kräutern zu ihnen herüber. Für Karen roch es um ein Vielfaches aromatischer als beim besten Italiener ihrer Heimatstadt. Irgendwo klapperte irgendjemand mit Geschirr, vermutlich, um den Mittagstisch zu decken. Italienische Lieder aus dem Radio plärrten bis hinaus auf die Straße.
    Viva l’Italia. Wo das Klischee Wirklichkeit wird.
    »Denk daran, ruhig zu bleiben. Es wird ein Schock für ihn sein, dich zu sehen«, ermahnte Lorenzo sie zum wiederholten Male.
    »Mein Schock hat ihn auch nicht interessiert!«
    »Trotzdem. Sprich erst mit ihm, bevor du urteilst.«
    Abrupt blieb Karen stehen. Sie hatte sich schon mal besser gefühlt als in diesem Augenblick. Hinter ihren Schläfen pochte der Kopfschmerz, und die Busfahrt von Pompei nach Pagani hatte sie dermaßen durchgeschüttelt, dass ihr flau im Magen war.
    »Auf wessen Seite stehst du eigentlich?«, schnauzte sie ihn daher viel heftiger an als beabsichtigt.
    Er erwiderte ihren Blick, ohne mit der Wimper zu zucken. Zum ersten Mal fiel ihr auf, dass er unter den Augen dunkle Ringe trug. Die letzte, gemeinsam durchwachte Nacht hatte auch bei ihm Spuren hinterlassen. Sofort schämte sie sich für ihren groben Ton.
    »Du brauchst es nur zu sagen, und ich lass dich in Ruhe«, reagierte er schroff. Sein Unbehagen wuchs, als er seinen Blick durch die menschenleeren Gassen schweifen ließ, die über das brodelnde Leben in den Häusern hinwegtäuschten. Er hätte Karen nie hierher begleiten sollen. Er hätte ihr nie so viel Macht über sein Leben einräumen dürfen. Plötzlich packte ihn Panik, als er daran dachte, dass dieser Gabano oder irgendjemand sonst aus der Familie in ihm den Thronfolger von San Marcino erkennen könnte. Die Folgen und der Skandal, die sich daraus möglicherweise für ihn und das Fürstentum ergaben, waren weder vorhersehbar noch kalkulierbar. Es schnürte ihm die Kehle zu.
    Sein Freund Antonio hatte mit seiner Warnung Recht behalten: Karen konnte ihm verdammt gefährlich werden. Weil er selbst jetzt, übermüdet und verdreckt wie sie waren, ihren Körper heftig begehrte – und weil er ebenso schmerzlich spürte, dass er sich an ihre Nähe gewöhnt hatte.
    Zu sehr.
    Viel zu sehr.
    Rasch wandte er sich von ihr ab.
    Es wurde Zeit, dass sie getrennte Wege gingen.
    Gerade noch so nah, plötzlich so fern. Enttäuscht registrierte Karen die Veränderung zwischen ihnen, die sie sich nicht erklären konnte.
    »Ich habe dich nicht gebeten, mich zu begleiten! Du bist ein freier Mann«, fügte sie finster hinzu.
    »Allerdings, deshalb solltest du meine Geduld auch nicht zu sehr strapazieren.«
    »Soll das eine Drohung sein?«
    »Ich drohe nie. Ich wollte dir nur einen guten Ratschlag geben.«
    »Weißt

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