Wer Braucht Schon Eine Gucci-Tasche
also traten wir mit unseren Drinks durch die raumhohen Glastüren, die Altheas Wohn- vom Esszimmer trennten.
Bernie hatte sich selbst übertroffen. Auf dem Buffet türmten sich Silberplatten und Terrinen – Eggs Benedict und eine Pastete mit Ei und Käse, daneben ein über Apfelholz geräucherter Schinken, frische Croissants und natürlich Bernies einzigartige Blaubeermuffins.
»Mexikanische Vanille?«, fragte ich, als Bernie in die Küche zurückging.
»Du weißt genau, dass es das nicht ist«, erwiderte sie und verschwand durch die Schwingtüren.
»Vanille?«, wiederholte Ethan.
»Andi versucht schon seit mindestens zehn Jahren, hinter das Muffinrezept zu kommen«, erklärte Harriet und legte gleich zwei davon auf ihren Teller. »Aber vergeblich, wenn ich das sagen darf. Einen Geheimcode der Regierung zu knacken wäre einfacher. Deshalb setzt man sich am besten hin und isst sie einfach.«
»Ich setze auf Andi«, erklärte Vanessa lächelnd. »Schließlich ist sie Expertin.«
»Darin, Rezepte zu kopieren«, schnaubte Althea. »Nicht unbedingt etwas, worauf man stolz sein könnte.«
»Immerhin verdient sie ihren Lebensunterhalt damit, Althea.« Harriet setzte sich ans Kopfende des Tisches. »Und das nicht einmal schlecht.«
»Kocht Bernie immer so?«, fragte Ethan und belud seinen Teller.
»Nein, nein, sie hat ein bisschen zurückgeschraubt«, erwiderte Althea. »Schließlich ist außer mir keiner mehr da. Deshalb blüht sie regelrecht auf, wenn ich Gäste habe. Manchmal glaube ich fast, ich lade nur Gäste ein, damit Bernie glücklich ist.« Ein höchst untypisches sentimentales Lächeln trat auf ihre Züge.
»Erzähl uns doch von deiner Chance, ins Hauptabendprogramm zu kommen«, forderte Harriet mich auf und gab damit Althea Gelegenheit, ihre Fassung wiederzugewinnen. »Althea meint, es sieht ganz gut für dich aus.«
»Ich denke schon«, antwortete ich und setzte mich neben Vanessa. »Aber natürlich steht das Gespräch mit Philip DuBois noch aus.«
»Sagtest du Philip DuBois?«, fragte Harriet.
»Ja, Mutter«, fiel Althea ihr ins Wort. »Ein sehr berühmter Spitzenkoch.«
»Das weiß ich, Althea. Ich bin nicht senil. Ich wollte Andi nur erzählen …«
»Sie braucht deine Hilfe nicht«, warf Althea mit einem vernichtenden Blick ein, der viel eher zu ihrem Naturell passte als ihre Nostalgie vor ein paar Minuten. »Sie hat alles unter Kontrolle.«
»Ich weiß eure Zuversicht sehr zu schätzen«, erklärte ich, »aber die Angelegenheit ist längst nicht unter Dach und Fach.«
»Hast du einen Plan B?«, fragte Vanessa.
»Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich sollte ich einen haben, aber bisher habe ich meine ganze Energie in die Idee gesteckt, Philip DuBois zu einer Zusage zu überreden.«
»Ich denke, Vanessa hat recht«, warf Ethan ein. »Du solltest eine Alternative parat haben. Nach allem, was ich gehört habe, ist er ein harter Brocken. Und leider ist die Gefahr groß, dass er dich abblitzen lässt.«
»Danke für deinen Vertrauensbonus.« Ich musterte ihn mit gerunzelter Stirn.
»Du weißt, dass ich es nicht so gemeint habe«, erwiderte er kopfschüttelnd. »Ich finde es nur wichtig, immer eine Alternative zu haben.«
»Das mag sein«, sagte Althea. »Trotzdem bin ich sicher, dass Andrea ihr Ziel erreichen wird. Es ist ihre Stärke, Negatives so umzudrehen, dass etwas Wunderbares daraus entsteht.« Mir blieb die Spucke weg. Ein solches Lob aus Altheas Mund. Unglaublich. Mir fehlten die Worte.
Was für ein Tag – Ethan war nicht schreiend aus meiner Wohnung geflüchtet. Und nun schwärmte Althea in den höchsten Tönen von mir.
Hier stimmte irgendetwas nicht.
Vielleicht befand ich mich ja mitten in einem Traum. Einem, in dem Althea auf meiner Seite stand und mir alles in den Schoß fiel. Und bestimmt würde ich jeden Moment aufwachen – allein und mit der Erkenntnis, mich geirrt zu haben.
Mit einer Mischung aus Entschlossenheit und Furcht kniff ich in die Innenseite meines Unterarms. Und zwar kräftig.
Nichts passierte.
Natürlich bleibt immer noch eine nackte Wahrheit, wenn man an Murphys Gesetz glaubt: Wenn alles reibungslos zu klappen scheint, geht irgendetwas gründlich in die Hose.
Oh, Mann.
Kapitel 16
»Das hätten wir«, verkündete Frank, während ich wie gewohnt mein Weinglas hob, um das Ende unserer wöchentlichen Sendung zu signalisieren.
Nach einem Wochenende, das man nur als fantastisch bezeichnen konnte, waren die letzten Tage eher ereignislos
Weitere Kostenlose Bücher