Wer Braucht Schon Eine Gucci-Tasche
Natürlich lag all dem eine voyeuristische Neugier zugrunde, aber ich will nicht vom Thema abschweifen.
»Stephen ist noch etwas ungeschliffen, das stimmt«, sagte Vanessa, »aber er ist ein anständiger Kerl. Und er und Cybil sind wie füreinander geschaffen.«
»So wie du und Mark«, stellte Althea fest. Mark Grayson galt als der Glücksgriff des Jahrhunderts. Und verständlicherweise hatte er sich Hals über Kopf in Vanessa verliebt. Aber da sie etwas schwer von Begriff sein konnte, waren die Dinge anfangs ein wenig durcheinandergeraten. Doch am Ende hatte auch bei ihnen die wahre Liebe gesiegt, genauso wie es sein sollte, und sie hatten wieder zueinandergefunden.
Was sich Althea selbstverständlich als alleiniges Verdienst anrechnete. Wohingegen ich davon überzeugt bin, dass die beiden auch sehr gut ohne ihr Zutun zurechtgekommen wären. Mark war kein Mann, der Gefangene machte; keiner, der aufgab, auch nicht nach einer gehörigen Schlappe.
»Und wo ist Dillon?«, erkundigte sich Vanessa.
»Er muss hier irgendwo sein«, antwortete ich und schwenkte mein Champagnerglas in Richtung der Gäste. Es war bereits mein drittes. Steife Partys schrien geradezu nach Befreiungsschlägen, fand ich.
»Da drüben ist er«, bemerkte Althea, deren Stimme vor Verachtung troff wie das Wasser von den langsam schmelzenden Eisskulpturen. »Er flirtet mit Diana Merreck.«
Dillon Alexander war mein Freund (auch wenn das klingt, als sei ich gerade sechzehn geworden). Im Prinzip lebten wir seit einigen Jahren zusammen – ich sage »im Prinzip«, weil ich mich trotz Dillons Drängen und der Tatsache, dass wir sowieso immer in einem unserer Apartments wohnten, bislang nicht mit der Idee anfreunden konnte, meine eigenen vier Wände aufzugeben.
»Er flirtet doch ständig«, bemerkte ich achselzuckend. »Es hat nichts zu bedeuten.« Und das hatte es auch nicht. Flirten war für Dillon wie Atmen. Und es war einer der Gründe, weshalb ich ihn so liebte. Althea wollte nur stänkern. Sie konnte Dillon nicht ausstehen. Er sei nicht gut für mich, fand sie. Was nichts anderes als »nicht standesgemäß« hieß. Dillon stammte aus Kalifornien. Sein Reichtum war neu, was ihn in bestimmten Kreisen höchst suspekt machte. Außerdem behauptete sie, er hätte keinerlei Ambitionen. Was absolut nicht stimmte. Er hatte nur eine eigene Vorstellung davon, wie die Dinge laufen sollten.
Was ich bewundernswert fand.
Althea hingegen nicht.
»Es ist nicht das erste Mal, dass ich ihn mit ihr sehe«, schimpfte sie und nahm einen Schluck von ihrem Martini. Okay, Schluck war vielleicht nicht ganz die richtige Bezeichnung. Althea ist der Inbegriff einer Lady, trotzdem kann sie bechern, was das Zeug hält, vor allem, wenn es etwas ist, was mit einer Olive drin serviert wird. »Und ehrlich gesagt meine ich, du verdienst etwas Besseres.«
»Ewig die alte Leier«, kommentierte ich und wünschte unvermittelt, ich hätte meinem Drang, Stephen in Schutz zu nehmen, nicht nachgegeben. Schließlich brauchte er mich nicht, und diese Party hier war weit von dem entfernt, was ich unter Spaß verstand.
»Ich finde eben, du solltest allmählich die Augen aufmachen und dich der Wahrheit stellen. Dillon ist kein Typ zum Heiraten.« Sie musterte mich finster über den Rand ihrer Brille hinweg und zog die Brauen hoch, bis sie beinahe ihren Haaransatz berührten.
»Das weißt du doch gar nicht. Außerdem bin ich auch nicht der Typ zum Heiraten.« Wir standen da, Nasenspitze an Nasenspitze, während unsere Stimmen anschwollen. Normalerweise war ich klug genug, mich auf keine Auseinandersetzung mit ihr einzulassen, doch der Champagner hatte meine Zunge gelöst – und meine Hirnzellen lahmgelegt.
»Natürlich willst du heiraten, Andrea. Du musst nur den Richtigen dafür finden. Und Dillon ist es eindeutig nicht.«
»Und wie ich dich kenne, hast du auch schon jemanden im Visier, mit dem du mich verkuppeln willst, stimmt’s?« Althea versuchte pausenlos, mich mit Männern zusammenzubringen, die sie für geeignete Kandidaten hielt. Das war ein alter Hut.
Althea machte Anstalten, etwas zu erwidern, doch Vanessa kam ihr zum Glück zuvor. »Ist das nicht Bethany Parks da drüben? Mit Michael Stone?«, fragte sie und lenkte damit das Gespräch in sichere Gefilde zurück. »Ich wusste ja gar nicht, dass sie zusammen sind.«
»Das ist auch ihre erste Verabredung«, sagte ich.
Bethany und ich waren seit Studientagen an der New Yorker Uni befreundet und hatten uns sogar eine
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