Wer braucht schon Liebe
Du-weißt-dass-du-mich-liebst-Augen zu mir hoch.
» Also gut, geh schon.«
Ich stelle das Tablett auf den Boden, wünsche ihm Frohe Weihnachten, gehe wieder in mein Zimmer und schließe die Tür. Endlich bin ich kurz vorm Einschlafen, als es erneut klopft. Die Tür öffnet sich und am liebsten würde ich schreien.
» Alex? Bist du wach?« Es ist Marsha.
Ich atme tief und gleichmäßig.
» Ich hab dir etwas Nahrhaftes mitgebracht«, sagt sie.
Ich atme noch tiefer.
» Toblerone«, sagt sie. Kurz darauf spüre ich, wie sie sich auf die Bettkante setzt. » Weihnachten ist scheiße, wenn man jemanden verloren hat, den man liebt, nicht wahr?« Sie denkt an meine Mum. Sie denkt an ihren Exmann. Von David weiß sie noch gar nichts. Und das wird auch so bleiben. Trotzdem dauert es noch mindestens fünf Minuten, bis ich endlich merke, wie sich ihr Gewicht vom Bett hebt.
» Dann lasse ich dir die Toblerone einfach da.« Einen Moment lang herrscht Stille, dann sagt sie von der Tür her: » Ich werde dir nicht so etwas Blödes wie Frohe Weihnachten wünschen, aber ich hoffe, dass es dir bald wieder besser geht.«
Sobald ich sicher bin, dass sie weg ist, stehe ich auf und schließe die Tür ab.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag lässt man mich in Ruhe, bis der Rockstar mittags an die Tür hämmert. Ich habe ganz vergessen, dass ich sie abgeschlossen hatte. Wenn ich nicht schnell aufmache, dann gibt es ein Riesentheater deswegen – verschlossene Türen sorgen in diesem Haus immer für Theater.
» Tut mir leid«, sage ich.
Er gibt mir das Telefon. » Für dich. Rachel.«
Ich halte es an mein Ohr und gebe ihm mit einem Blick zu verstehen, dass er jetzt gehen kann.
Das tut er auch.
» Was ist los?«, fragt sie. » Warum gehst du nicht an dein Handy?«
Ich bringe es nicht über mich, es ihr zu erzählen. Ich gehe einfach zurück zu meinem Bett und lasse mich daraufplumpsen.
» Hast du Lust, irgendwohin zu gehen?«, fragt sie.
» Nein. Danke.«
» Wie wäre es, wenn ich vorbeikomme?«
» Nein.«
Kurzes Schweigen. » Mark hat es mir gesagt … Es tut mir so leid, Alex.«
Wenn ich rede, muss ich weinen. Also sage ich nichts.
» Bist du dir sicher, dass du nicht ein bisschen Gesellschaft willst?«
» Yep.«
Wieder Schweigen. » Okay. Aber wenn du deine Meinung änderst, ruf mich an. Okay? Jederzeit.«
Idiotischerweise nicke ich. Ich lege auf, bringe das Telefon raus auf die Galerie und gehe wieder ins Bett. Den restlichen Tag lang sehe ich niemanden. Das Essen wird gebracht, und, bis auf die Cola, unangetastet wieder abgeholt. Die Stunden gehen nahtlos ineinander über. Ich weiß nicht, wann Marsha hereinkommt, aber sie erwischt mich, als ich aus dem Bad komme, also kann ich nicht meine übliche Strategie fahren und so tun, als würde ich schlafen.
» Hey«, sagt sie. » Schön, dass du wach bist. David ist unten.«
Mein Herz hämmert gegen meine Brust. Also verhärte ich es. » Ich schlafe.«
Fragend sieht sie mich an.
» Bitte, Marsha. Sag ihm einfach, dass ich schlafe.«
Aus zusammengekniffenen Augen sieht sie mich an. » Du bist jetzt schon seit zwei Tagen im Bett. Es geht nicht nur um deine Mum, stimmt’s? Ihr zwei habt euch gestritten, nicht wahr?«
» Marsha, bitte. Sag ihm einfach Bescheid, okay?« Ich lege mich wieder ins Bett.
» Okay. Wie du willst.« Sie zuckt mit den Schultern und geht.
Zwei Minuten später ist sie wieder da. Und sieht ein bisschen zu zufrieden aus. » Er sagt, er wartet im Auto, bis du aufwachst.«
» Ich. Werde. Nicht. Aufwachen.«
Sie sieht schockiert aus. » Du kannst ihn nicht ewig da draußen warten lassen.«
» Das werden wir ja sehen.« Ich ziehe mir die Decke über den Kopf.
» Wo hast du dein Herz gelassen?«
Auf dem Boden.
» Sieh mal. Es tut ihm leid – was auch immer er getan hat –, sonst wäre er nicht hier.« Ich höre, wie sie auf und ab geht, und hoffe, dass sie verschwindet. » Ach, sieh ihn dir doch nur an dort unten«, sagt sie vom Fenster aus mit weicher Stimme, als würde sie über ein Hündchen reden. Als ich nicht antworte, sagt sie: » Du bist eine ziemlich harte Nuss, weißt du das?«
Eine » harte Nuss« ist genau das, was ich sein will.
» Okay, dann gehe ich runter und sage ihm, dass du ihn nicht sehen willst.«
Ich sage nichts.
» Ich lasse ihn nicht ewig da draußen warten.«
Endlich geht sie.
Ich gebe mir Mühe, nicht an ihn zu denken, wie er dort unten im Auto wartet und mitgeteilt bekommt, dass ich ihn nicht sehen will. Ich
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