Wer braucht schon Liebe
Stückchen zerfetzt, dass du sie nie wieder zusammenfügen kannst, Pläne, von denen du gar nicht wusstest, dass du sie überhaupt hattest, bis sie zunichtegemacht waren. Ich weiche zurück. Ich achte nicht auf die Tränen, die nun in Strömen fließen, und blicke in die Augen, die ich so gut kenne.
» Es ist aus, David.«
» Nein.«
» Bitte. Es funktioniert nicht. Also mach es nicht noch schlimmer.«
» Es wird funktionieren. Wir werden dafür sorgen, dass es funktioniert. Wir müssen nur Geduld haben. Wir können es schaffen.«
Er ist so überzeugt. So optimistisch. So stark. Und in diesem Augenblick stelle ich fest, dass ich ihn liebe. Ich liebe ihn wirklich. Alles an ihm. Sein Lächeln. Seine Augen. Die Sommersprosse auf seinem Augenlid. Dass er eine Dose Mr Zogs Sex Wax zu Hause hat. Ich liebe auch die Art, wie er mit Bobby umgeht. Ich liebe alles, was David ausmacht. Und ich sage ihm, dass es aus ist. Ich stehe auf und gehe. Denn wenn ich nicht sofort gehe, ändere ich meine Meinung.
Draußen holt David mich ein. » Alex. Tu das nicht. Bitte vertrau mir einfach. Vertrau uns.«
Ich schlinge die Arme um meinen Körper. » Ich muss jetzt nach Hause.« Ich muss mich in meinem Bett verkriechen und mich zusammenrollen, die Knie an die Brust ziehen und die Arme fest darumschlingen.
» Alles klar«, sagt er. » Aber morgen reden wir, okay?«
Ich nicke, aber in Wahrheit kann ich nicht über morgen nachdenken.
***
Mir ist kalt. So kalt, dass ich zittere. Ich liege im Bett, zusammengerollt, wieder so wie vor neun Monaten. Nur noch schlimmer, denn jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn mehr vermisse als meine eigene Mutter. Ich schließe die Augen. Ich muss schlafen, alles aus meinem Kopf verbannen bis morgen. Aber hinter den Augenlidern sehe ich sein Gesicht, das schönste Gesicht der Welt, das Gesicht, das verblassen wird in meiner Erinnerung, egal, wie unmöglich einem das jetzt auch erscheinen mag. Meine Kehle brennt und es geht wieder los. Laute klagende Schluchzer, die ich zu ersticken versuche. Ich weine wegen ihm. Ich weine wegen Mum. Und dummerweise weine ich wegen all den Dingen, die ich irgendwann verlieren werde. Homer. Den Rockstar. Rachel. Ich weine so viel, dass ich glaube, ich kann nie wieder aufhören.
21 Pfütze
Ich falle in eine Pfütze. Doch es ist keine Pfütze, denn meine Füße berühren den Boden nicht. Ich gehe unter. Meine Stiefel füllen sich mit dreckigem braunen Wasser. Sie ziehen mich hinunter. David springt mir hinterher. Aber es ist zu spät. Um mich herum ist es dunkel. Ich kriege keine Luft mehr. Keuchend wache ich am Weihnachtsmorgen auf. Ein Telefon klingelt. Es ist meins. Quakend und vibrierend auf dem Nachttisch neben mir. Ich sehe es an, bis es wieder verstummt. Dann wende ich mich ab, drehe mich weg davon. Weg von allem. Von jedem. Homer legt den Kopf auf das Bett, direkt vor mein Gesicht. Er sieht mich aus traurigen schokoladenbraunen Augen an, als könnte er meine Gedanken lesen. Also wende ich mich auch von ihm ab. Ich will nur eins: wieder einschlafen. Alles verdrängen. Nichts mehr fühlen. Nie wieder. Wenn ich meinen Schutzschild nicht gesenkt hätte, wenn ich ihn nicht an mich herangelassen, ihm nicht zugehört, ihm nicht vertraut hätte, dann würde es mir jetzt gut gehen. Ein Junge aus meiner Klasse würde wieder in die Staaten ziehen. Das wäre alles.
Also mache ich dicht. Schalte ab. Schlafe wieder ein.
Wenn das Handy mich lassen würde. Das ist er, ich weiß es. Er will versuchen, mich umzustimmen. Aber das wird nicht klappen.
Schließlich komme ich zur Vernunft und schalte das Handy aus.
Jetzt klopft jemand an der Tür. Ich ziehe mir die Decke über den Kopf.
» Alex?« Es ist der Rockstar.
Ich rühre mich nicht.
» Das Abendessen ist fertig.«
Ich wälze mich im Bett und seufze, als würde ich schlafen.
» Homer. Komm, ich lass dich lieber mal raus.« Ein paar Minuten vergehen. » Homer, komm schon, braver Junge.« Stille. » Okay, ich lasse die Tür offen. Komm runter, wenn du willst«, sagt er, als würde er mit einem Menschen sprechen. Dann ist er weg.
Eine Weile später klopft es wieder. Jemand läuft über den Teppich und stellt – wie ich annehme – ein Tablett auf den Nachttisch, denn es riecht nach Essen.
» Nein, Homer, das ist nicht für dich«, sagt Barbara. » Nein.«
Endlich geht sie. Ich stehe auf, nehme die Cola vom Tablett und trage alles andere raus auf die Galerie. Homer folgt mir und sieht mit großen
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